Sie gewann den DDR-Nationalpreis und wurde von der Stasi ausspioniert: Bis heute prägt das schwierige Verhältnis zur DDR das Werk Christa Wolfs. Im Frühjahr soll ein neuer Roman erscheinen.
Christa Wolf wird 80 und hat noch immer nicht den Literaturnobelpreis. Sagen die einen. Ihr literarisches Werk wird überschätzt, meinen die anderen. Wie dem auch sei - wie kaum eine andere Schriftstellerin verkörpert Christa Wolf, die am Mittwoch, dem 18. März, ihren 80. Geburtstag feiert, als einstige DDR-Autorin von Weltruf den Konflikt zwischen Geist und Macht. Dafür hat die nach Anna Seghers wohl bekannteste und produktivste Schriftstellerin des "anderen Deutschland" lange Jahre mit beiden "Ehrentiteln" wie "moralische Instanz" und "Staatsdichterin" leben müssen. Diese Titel haben die Anhänger wie Gegner der DDR-Nationalpreisträgerin, die erst 1989 aus der SED ausgetreten ist, manchmal verliehen.
Zu ihren wichtigsten Werken gehören die Romane und Erzählungen "Nachdenken über Christa T.", "Kindheitsmuster", "Kein Ort. Nirgends", "Kassandra", "Medea. Stimmen" und "Der geteilte Himmel". 2003 veröffentlichte sie Tagebuchauszüge von 1960 bis 2000. Ein neuer Roman soll laut Suhrkamp Verlag vermutlich im Frühjahr 2010 erscheinen.
Ausspioniert und mitgearbeitet
"Ich verlasse mich darauf, dass die Leser in meine Bücher schauen und sehen, dass ich keine Staatsschriftstellerin war", sagte die Georg-Büchner-Preisträgerin dazu einmal. 1993 war bekanntgeworden, dass Wolf von 1959 bis 1962 von der Stasi zunächst als "Gesellschaftliche Mitarbeiterin" und dann als IM "Margarethe" geführt worden ist, was die Autorin nach eigenem Bekenntnis verdrängt hatte. Dagegen steht, dass sie und ihre Familie seit Ende der 60er Jahre systematisch von der Stasi ausspioniert wurden.
Wolf empfand es in den letzten Jahren der DDR zunehmend als Belastung, dass die Menschen in Ostdeutschland sie immer mehr als Galionsfigur für Zivilcourage und Widerstand in Anspruch nahmen und weniger als Literatin. Sogar als Staatspräsidentin einer "neuen DDR" war Christa Wolf im Gespräch. Sie sah sich wie ihre Kollegen Stefan Heym, Volker Braun, Heiner Müller und Christoph Hein, die ebenfalls auf der ersten freien Massendemonstration in Ost-Berlin am 4. November 1989 sprachen, einem gesellschaftlichen "Erlösungs- Erwartungsdruck" ausgesetzt, den sie weder erfüllen konnte noch wollte.
"An die falschen Götter geglaubt!"
Die "deutsche Zerrissenheit" fand in Wolf, die am 18. März 1929 im heute polnischen Landsberg/Warthe geboren wurde, ein literarisches Sprachrohr, nicht zuletzt in ihrer berühmten, von Konrad Wolf 1963/64 auch verfilmten Erzählung "Der geteilte Himmel". Noch in den letzten Tagen der zusammenbrechenden DDR hat sie zusammen mit anderen Künstlern den Aufruf "Für unser Land" unterschrieben, ein verzweifelter Versuch, den eigenständigen Weg eines anderen Deutschland weitergehen zu können. "Zu lange an die falschen Götter geglaubt!" war einer ihrer Selbstvorwürfe.
"Ich habe dieses Land geliebt", schrieb Wolf einmal an ihren Kollegen Günter Grass. Sie meinte natürlich die Menschen und nicht den Machtapparat, der ihr vorschreiben wollte, was "positiv" und was "Glück" ist - für einen Schriftsteller per se eine völlig unkünstlerische Vorgabe, denn "angepasst kann man nicht schreiben, da fällt einem ja nichts ein", wie sie später sagen sollte.
Troja muss untergehen
Wolf gehörte mit ihrem Mann zu den Unterzeichnern der Protestresolution der Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann 1976 aus der DDR. Danach hat sie ihr Land nicht mehr für reformierbar gehalten, um dann mit Michail Gorbatschow doch wieder neue Hoffnung zu schöpfen. Dabei hatte sie doch schon 1968 nach dem Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen in die damalige CSSR in ihrem Tagebuch notiert: "Es rast auf ein ungutes Ende zu...Wenn man erst einmal mit solcher Wucht aus den Schienen gesprungen ist, kommt man nicht mehr rein." Und 1983 hatte sie in ihrer berühmt gewordenen Erzählung "Kassandra" eine "Botschaft" versteckt, die die SED-Zensur nicht verstanden habe, wie Wolf später meinte, nämlich "dass Troja untergehen muss".
Kassandra ist ein Beispiel für die verknappte Formel "Frauen und Frieden", auf die man Wolfs literarisches Werk und gesellschaftliches Engagement bringen könnte. Die "weltgeschichtliche Niederlage der Frau" blieb ihr als Thema immer im Blick. Nach ihren acht Lebensjahrzehnten spricht Wolf von "diesem 21. Jahrhundert, in das ich wider Erwarten noch hineingeraten bin, ohne recht heimisch in ihm zu werden". Manchmal überkomme sie auch das Gefühl, meinte sie, "einer überholten, aussterbenden Art anzugehören, deren Erfahrungen nicht mehr gebraucht werden". Dabei könne sie aus drei Gesellschaftsordnungen Erinnerungen beisteuern, an "normales" Leben ebenso wie an Irrtümer, Konflikte, Zusammenbrüche, Verzweiflungen und Glücksmomente und "beharrliche Hoffnungen". Vor allem aber: "So wie es war, so soll es auch gewesen sein - wie sonst?
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