Die Schriftstellerin Petra Hůlová wurde am 12. Juli 1979 in Prag geboren. Nach dem Abitur studierte sie an der Philosophischen Fakultät der Karlsuniversität Kulturologie und Mongolistik. Für kurze Zeit weilte sie auch in der Mongolei. Zur Zeit widmet sie sich ihrer Promotion in Kulturologie.
Hůlovás Debüt mit dem absichtlich retrospektiven und ein wenig kuriosen Titel „Pamět mojí babičce“ (Meiner Großmutter zum Angedenken) beeindruckte viele. Einerseits stellte sich damit eine zweifellos begabte junge Erzählerin vor, andererseits war Hůlovás Thema im tschechischen literarischen Kontext fraglos ungewöhnlich: Sie erzählt vom Leben in der „exotischen“ Mongolei und insbesondere vom Schicksal mehrer Generationen mongolischer Frauen, die in Dörfern zwischen Wüstenstreifen oder in Städten leben.
Dieses Thema korrespondiert zwar mit der Studienausrichtung der Autorin, in seiner Umsetzung kommt es allerdings weder als exotisch gefärbte Geschichte aus entfernten Ländern daher noch als epische Schilderung der Verhältnisse in einem Land mit anderer Kultur und vor allem Mentalität. Petra Hůlová konzentriert sich (im Geiste der europäischen literarischen Tradition) überwiegend auf den mongolischen „Alltag“ und die Tatsache, dass sich in dem Land mehrere ethnische Bevölkerungsgruppen durchdringen. Sie betrachtet die Befähigung, einen konkreten „anderen“ Menschen – und nicht allgemein „unseren Nächsten“ – zu respektieren (oder eben auch nicht).
Schwerpunkt ihres Buches sind sensible Charakterschilderungen einiger ausgeprägter, eigenwilliger Frauenfiguren, die ihre bereits zur Neige gehende oder erst wachsenden Lebenserfahrungen weitergeben und miteinander konfrontieren. In diesem Sinne steht zwar das literarische Debüt der Autorin in Bezug zu gegenwärtigen Tendenzen des feministischen Schaffens, neigt allerdings weder zu proklamativen Thesen noch zur Gegenüberstellung zweier Geschlechter: Alles, was geschieht und woraus die Lebensrealität besteht, bildet hier in erster Linie eine Art von kulturellem Gedächtnis bzw. heutige gesellschaftliche Kanons, auf deren Grundlage sich dann konkrete Handlungs- und Verhaltensmuster und -modelle sowohl von einzelnen Protagonisten als auch von episodischen Figuren herausformen. Der thematische und philosophische Ausweg aus diesem Stand der Dinge und des Denkens wird nur skizziert, die Betonung liegt auf der reliefartigen Analyse der Psychologie der Personen, nicht auf der synthetischen Erkenntnis, die es ihnen ermöglichen würde, sich der fatalistischen Vision des „weiblichen Geschicks“ zu entwinden.
Der Text des Buches ist durchdrungen von zahlreichen mongolischen Wörtern und Wendungen.
Aus der „exotischen“ Mongolei kehrt Petra H?lová in ihrer zweiten Prosa „Přes matný sklo“ (Durch Milchglas) in ein Milieu zurück, das dem tschechischen Leser viel bekannter ist, das aber nichtsdestotrotz auf den heimischen Beobachter bizarr, wahnwitzig, kurios wirken soll: in das teils verrückte, teils nur „natürliche“ Innenleben einiger „ganz normaler“ Menschen, die in der Nachkriegs-Tschechoslowakei und dann im Nachwende-Tschechien leben.
Diesmal konzentriert sich die Schriftstellerin jedoch auf vielfältig temperierte Figuren: Wenn ihre Heldinnen aus der Mongolei sich noch im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten bemühten schöpferisch tätig und aktiv zu sein, so defilieren im zweiten Buch lauter unglückliche Figuren oder eher Figürchen am Leser vorüber, die in die Sackgase ihrer Psyche, in diesen geistigen und gefühlsmäßigen „Kerker der finstersten Sorte“ geraten sind, unfähig, sich von ihrer Kurzsichtigkeit bzw. der Verblendung ihrer Intelligenz zu befreien. Dabei geht es um lauter Träger guter Vorsätze, durchwegs um Typen von Menschen, die Gutes tun und ihren Nächsten eine Stütze sein wollen, die jedoch nicht zu sinnvoller zwischenmenschlicher Kommunikation befähigt sind – und aus diesem Grund sind ebenfalls ihre Beziehungen zu den ihnen am nächsten stehenden Personen fast schon auf tragische Weise davon gezeichnet, dass beiderseitiges Nichtverstehen herrscht, dass sie sich ihrer Verantwortung entledigen, dass sie nach und nach, wenn nicht gar vollkommen, ihr eigenes Gesicht, ihre Identität verlieren.
Zwar äußert sich Hůlová insbesondere in der Geschichte eines jüngeren Mannes, d. h. eines Angehörigen der jüngsten Generation, der an unheilbarer Soziophobie leidet, zu den Gefühlsproblemen der Gegenwart, doch die grundlegende Achse ihrer Erzählung sind die Einstellungen der Eltern- und Großelterngeneration, also einerseits der Generation, die kollektiv durch den kommunistischen Putsch im Februar 1948 stigmatisiert wurde, andererseits der Generation, die vom Einmarsch der Truppen der „Bruderländer“ im August 1968 traumatisiert wurde. In beiden Fällen waren die Menschen zu einem statischen Geschichtsbild und zu einer passiven Lebensphilosophie verurteilt.
Die zweite Prosa der Autorin bestätigt, dass sich ihr erzählerisches Können bisher vor allem auf Episoden, Skizzen, dichte Formen und plastische Charakterstudien stützt, weniger auf epischeres Denken oder direkt auf den Grundriss eines gesellschaftlichen Problems. In dieser Richtung knüpft Hůlová an die spezifische psychologisierende Erzählweise zum Beispiel von Radoslav Nenadál und Irena Dousková an, die im Helldunkel-Kontrast von ähnlich freudlosen, „halb geheimen und verborgenen Historien“ berichten.
Bibliografie:
Pamět mojí babičce (Meiner Großmutter zum Angedenken). Prosa. Verlag Torst, Prag 2002.
Přes matný sklo (Durch Milchglas). Prosa. Verlag Torst, Prag 2004.
Cirkus Les Mémoires (Zirkus Les Mémoires). Prosa. Verlag Torst, Prag 2005.
Umělohmotný třípokoj. Prosa. Verlag Torst, Prag 2006.
Frau
Hůlová, Petra
Ort:
Prag (Praha)
Tätigkeit:
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E-Mail:
hulova@gmail.com
Geburtsdatum:
1979-07-12
Geburtsort:
Todesdatum:
Todesort:
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