Verlag:
ISBN:
ISSN:
Publikationsdatum:
Ausgabe:
Vorrätig:
NO
E-Mail:
office@doml.at
Land:
Siehe auch:
|
Rezension Svetlana Žuchová, Yesim. Bratislava 2006
In den Chor der Literaturkritiker, die Svetlana Žuchová vorwerfen, dass sie vom türkischen Milieu keine Ahnung hat, der besonders von den Wiener türkischen Kritikern, die schon die gesamte österreichische Literatur fest in den Händen halten, möchte ich nicht einstimmen. Ist es doch auch eine Übertragung in die slowakische Welt, für den slowakischen Leser! Wenn die türkische Familie am Sonntag Kaffee trinkt und Babovka isst, dann ist natürlich Tee und Halva gemeint. Aber das weiß ja jeder. Es ließe sich kontern, wo gibt es die Novelle über slowakische ImmigrantInnen in Instanbul? Aber vielleicht gibt es sie.
Nein, das Interessante an dem Buch von Svetlana Žuchová liegt darin, dass sie die rhytmische Wiederholungstechnik Thomas Bernhards aufgenommen hat und so auf Slowakisch ein Buch österreichischer Literatur geschrieben hat. „Tak som na to myslela. [...] niekedy v nedele zmyslela, že presadim činskú ružu. Vtedy som na to myslela.” /So habe ich daran gedacht. [...] manchmal dachte ich mir am Sonntag aus, dass ich eine chinesische Rose pflanze. Dann habe ich daran gedacht./ „Ako podáte svoje kľúče cudziemu človeku. Ako štafetový kolík. Keď mu podáte kľuče. /Wie Sie Ihre Schlüssel einem Fremden geben. Wie einen Stafetten-stab. Wenn Sie ihm den Schlüssel geben./ „Tak som na to myslela aj teraz.” /So dachte ich jetzt daran/ In Bernhards „Holzfällen” „[...] Perfide Gesellschaftsonanisten, dachte ich auf dem Ohrensessel sitzend, was für ein [...]“, „[...] nur sich selbst, dachte ich auf dem Ohrenses-sel.“, „von der gemeinproletarischen Betonhysterie, dachte ich auf dem Ohrensessel.", „[...] daß sie es zu etwas gebracht haben, aber ich dachte auf dem Ohrensessel, sie haben es zu nichts gebracht, [...]“, „[...] mit ihnen nichts mehr zu tun haben, dachte ich auf dem Ohrenses-sel;“ Oder wieder bei Žuchová „Ešte včera zavolal jeden novinár a spytal sa [...] /Gestern noch rief ein Journalist an./ Tak včera zavolal ten novinar.“ /So rief gestern der Journalist an./ „Zvyčajne v kaviarni, kde jeden pije kávu alebo minaralku. A druhý kávu a minerálku. [...] Tak sedia pri stole každý so svojom nápojom. Každý za svojom [...]” /Gewöhnlich im Kaf-feehaus, wo der eine Kaffee und Mineralwasser trinkt. Und der andere Kaffee und Mineral-wasser. [...] So sitzen sie am Tisch jeder mit seinem Getränk. Jeder mit seinem./
Ein weiteres Kennzeichen der Prosa Žuchovás ist das unaufhörliche Feuerwerk von poeti-schen Vergleichen. „Dvaja ľudia sedia oproti sebe. /Zwei Menschen sitzen sich gegenüber./ Ako babky v detskom divadle. /Wie Puppen im Kindertheater./ [...] Každy so svojím ako v letiskovej hale. /Jeder mit sich beschäftigt wie in der Flughafenhalle./ [...] Ako v čakárni u lekára [...]”, /Wie im Warteraum beim Arzt [...]/ „Nielen tým, čo nás vidia sedieť za stolom ako marionety v bábkovom divadle. Ako makety z papiera pri komunikačnom cvičení.” /Nicht nur dadurch, dass sie uns am Tisch sitzen sehen, wie Marionetten im Puppentheater. Wie Attrappen aus Papier beim Kommunikationstraining./
Es kommt dann zu einer Verflechtung der lexikalischen Wiederholungstechnik und der semantische Reproduktion poetischer Vergleiche. „A zväzok kľučov, ktory som dostala ako štafetový kolík. Ako talizman v dlani. [...] Ako retiazku s priveskom, ktora sa neskladá z krku. Tak prečo tá nepredvídateľná samota. Ako kašeľ, keď začnú kvitnúť topole. Ako revizor v metre prezlečený na cudzinca.“ /Ein Schlüsselbund, das ich wie einen Staffettenstab bekommen habe. Wie einen Talisman in die Hand. [...] Wie eine Kette mit Anhänger, die man nicht vom Hals nimmt. Warum dann diese nicht vorhersehbare Einsamkeit. Wie Husten, wenn die Pappeln blühen. Wie ein Kontrolleur in der U-Bahn, der als Ausländer verkleidet ist.“
Besonders interessant ist die Übertragung des typisch mitteleuropäischen Motives der Ein-samkeit in das türkische Milieu. Ein türkischer Karikaturist in Berlin, der nach 1989 gefragt wurde, ob er jetzt wieder zurückgeht, antwortete: Die Deutschen sind alle so einsam. Da gibt es noch viel Lustiges zu zeichnen.
Stephan Teichgräber
Neueste Kommentare