Dort hinter der scheinbar durchsichtigen Luft

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Franciszek Nastulczyk – Mini-Auswahl

DORT HINTER DER SCHEINBAR DURCHSICHTIGEN LUFT, 1991

ERSCHÖPFUNG

unbewegt liegt der Garten

im Netz der Augustsonne

so Tag für Tag

nichts verändert sich

manchmal fällt ein Apfel

der Abend oder die Dämmerung ein

ich schaue aus dem Fenster

erschöpft vom unveränderten Anblick

des Gartens und meines Lebens

ZWEIFEL

hinter der Tür lauscht die Stille

ich kann hier nicht hinausgehen

aufatmen im Nebel des Gartens

ich fürchte mich einen Schritt zu tun

in jene Richtung

vielleicht gibt es dort weder Nebel

noch Garten

FERIEN

Wind und Tauben am wolkenlosen Himmel

es trocknet das Heu

das Getreide reift

die Zeit ist zurückgekommen ins Lesebuch

wo nur vier Jahreszeiten existieren

und Hoffnung

farbige Buchschmetterlinge auf den Regalen

Baudelaire und Kawafis

klagen der Sonne ihr Leid

unwirklich bebt die Luft

Worte wie Staub heben sich

ZEIT UND GEGENWART, 1994

WORTE

der Herbst ruft den Nebel herbei

im Nebel irren die Worte

und klopfen leise ans Fenster

ich lege sie ab auf dem Papier

feucht und unterkühlt

dazwischen viel Laub und Erinnerung

viel Nacht in ihnen

NACHTFALTER UND ANDERE GEDICHTE, 1997

UNTERWEGS NACH VENEDIG

Die Welt ist emfindungslos.

Herbstecho an uns, Erstaunen und Begeisterung

lassen sie kalt.

Unsere Verstorbenen begleitet sie nicht zum Grab,

ihr Schmerz kommt für sie nicht unerwartet.

Ich fahre Richtung Nacht.

Lichtbarrikaden ringsum die Städte

weichen kampflos zurück.

Ich fahre im Augenblick

der Ewigkeit, in einer Zeit erstarrt wie der Rauch

und der Nebel über der Erde.

Es reicht ein Schritt oder zwei nach oben,

und ich finde den Weg zurück nicht mehr.

Ein unteridisches Licht, steril,

ohne eine Spur von Feuer

dauert am Rand der Augenlider.

Wenn ich die Augen schließe, verlöscht es

für immer. Kehrt dorthin zurück, woher ich es erbeten habe,

in die empfindungslose Welt der Toten.

HERBST DES JAHRHUNDERTS, 2000

MAKEDONISCHE LEGENDE

in den Bergen verlassene Amphitheater

heimgesucht vom Wind

und Pässe

über welche die unermüdlichen Armeen

des Samuel marschieren

vierzehntausend Blinde

geführt von einem Einäugigen

wenn sie endlich einschlafen

dann nur mit deinem Bild unter den Lidern,

Makedonien

weckt sie nicht auf

auch wenn ein Einfall

der Awaren oder Slawen drohte

welche die Bäche und Flüsse leeren

schenkt den Feinden das Alphabet und die Legenden

und sie sind unterworfen

KASPAR HAUSER

Ich wende mich an jemanden, und das ist.

Ich rede nicht von mir, ich treffe nicht mich.

Ich bin nur innen, anders als das,

was mich umgibt.

Außer meinem Leben gibt es in mir nichts Lebendiges

Ich bin nur eine Stimme. Ich gehe barfuß

über die spitzen Stacheln und Steine der Flüsse.

Wasser!

Von deinem Glanz bin ich erblindet.

Blut von Weichseln rinnt über Lippen und Kinn.

Blasse Jungfern auf einem Karussel, Herbsthusten.

In der Hitze des Rückzugs wächst aus der Hand gestützt

auf den Stein eine Wurzel, fliegen Wintervögel auf.

Meine Anwesenheit hier ist ein schmerzlicher Fall

FÜHRER FÜR BLINDE HUNDE, 2003

Karneval

In der Dämmerung kommen die Masken

ihr Anblick zieht einen Schnitt

durch den Unterleib des Tags

am Himmel

Sterne und Mond

Raben

schwarze Blätter

Raben

Blättchen von Ruß

erlöschen in der Luft

noch dauert der Karneval

der Wind stimmt seine Instrumente

Garcia Lorca stirbt

Fasane stolzieren im Garten

wo der Schnee langsam verlöscht

GIB DAZU

gib diese Worte dazu:

Zeit

Fehlen von Liebe

diese Summe

erschlägt mich

ZUFÄLLIGE EWIGKEIT, 2006

JJ

James Joyce

seine Augengläser

schwarz

und weiß Photographie

grausame Witze der Orthographie

in „Finnegans wake“

James Joyce doppelte Lüge

wie jeder Versuch eines Künstlerdaseins

spärlicher Oberlippenbart

Probleme mit der Verständigung

und mit den Schuhen

niemand versteht ihn zur Gänze

versteht den Witz nicht der

unser Dasein ist

hier und dort und da und anderswo

als ob das Wort sein zu wenig wäre

RÜCKKEHR

Der Sommer geht zu Ende

ich kehrte zurück aus dem Traum

habe den Weg gfunden

weiß wie meine letzte

Liebe heißen wird

jeder Tag

ein Hauch von Feiertag

Lachen ist schwarz

die wichtigsten Fragen

nach nichts habe ich Sehnsucht

nichts geht mir ab

übersetzt von Alois Woldan

Siehe auch:

Autor

Nagy, Gáspár

NAGY GÁSPÁR


 

Übersetzer

Wimmer, Paul

geb.