Fritz, Marianne

Marianne Fritz wurde am 14. Dezember 1948 in Weiz/Steiermark geboren. Nach einer Ausbildung zur Bürokraft erlangte sie auf dem zweiten Bildungsweg die Matura. Sie lebte und arbeitete als freie Schriftstellerin, finanziell abhängig von Stipendien, in bescheidenen Verhältnissen in Wien. Sie scheute den Umgang mit der Öffentlichkeit, über ihren Lebenslauf ist abgesehen von ihrer literarischen Arbeit wenig bekannt.

Nach schwerer Krankheit starb Fritz am 1. Oktober 2007 mit 58 Jahren in Wien.

Die Romane von Marianne Fritz

Anfänge

Bereits für ihre erste Veröffentlichung, den 1978 erschienenen Roman Die Schwerkraft der Verhältnisse erhielt Marianne Fritz den Robert-Walser-Preis. Darin wird die Geschichte einer Kindsmörderin erzählt, die gequält von äußeren Umständen erst in einer Irrenanstalt und mit dem Verlust ihrer Sprache einen Schutz gegen die von ihr als beängstigend wahrgenomme Umwelt findet.

Das „Festungsprojekt“ [Bearbeiten]

Seither arbeitete sie an einem literarischen Großprojekt, dem sie den Arbeitstitel Die Festung gegeben hat und das literarisch die Geschichte der ersten und zweiten Republik Österreich thematisiert.

Der 1980 vorgelegte Roman Das Kind der Gewalt und die Sterne der Romani, angesiedelt im Jahr 1921 schildert Konflikte, die nach der Vergewaltigung einer Roma-Frau in einem österreichischen Dorf entstehen, greift gleichzeitig aber die Schicksale der Dorfbewohner auf und lässt so ein umfassendes Bild der Zeit entstehen, welches über die Handlung reicht.

1985 erschien unter dem programmatischen Titel Dessen Sprache du nicht verstehst ein weiterer Roman, der ausgehend vom Jahre 1914 exemplarisch die Geschichte der Proletarierfamilie „Null“ aus dem Marktflecken „Nirgendwo“ in den Mittelpunkt stellt. Dieser zentrale Gegenstand wird von hunderten weiterer, ausschließlich proletarischer Haupt- und Nebenfiguren begleitet, so dass auf über 3000 Seiten ein komplexes Bild einer historisch zwar fixierbaren, jedoch gleichzeitig einer teilweise mythologisierten Parallelwelt entsteht. Das Ziel bleibt dabei, eine Geschichtsschreibung anzustreben, die jene erfasst, welche üblicherweise nur als Objekte im Strom der Ereignisse mitgerissen werden. Korrespondierend dazu bedient sich Marianne Fritz einer eigenwilligen Formen- und Erzählsprache, welche die üblichen Grenzen von Gattungen sowie allgemeiner sprachlicher Konvention sprengt und diese weit hinter sich zurück lässt. Sie verwendet einen unüblichen Satzbau, verändert Interpunktionsregeln, wodurch dem Satz neue Bedeutungsebenen zugewiesen werden, lässt Artikel wegfallen und dergleichen mehr. Die Geschichte der sonst Namenlosen erhält dadurch ihre eigene Sprache und setzt sich von jener der offiziellen Geschichtsschreibung ab.

Mit den ersten beiden Teilen der auf drei Abteilungen angelegten Fortführung Naturgemäß hat Marianne Fritz ihren Stil konsequent weiter verfolgt, doch wollten ihr dabei nur noch wenige Leser folgen. Bereits bei Erscheinen von Naturgemäß I. Entweder Angstschweiß Ohnend Oder Pluralhaft (1996), der in 5 Bänden vorgelegt wurde, sprach die Kritikerin der FAZ von einer „Satzbauruine“ und einem „Disneyland der Dekonstruktion“, auch Naturgemäß II. Es ist ein Ros entsprungen / Wedernoch / heißt sie (1998) rief Befremdung hervor. Beide Bände, in denen der geografische wie zeitliche Rahmen des Festungsprojektes erweitert wird, sind im Faksimile des Typoskripts erschienen, Kursivschrift, Unterstreichungen, wechselnde Schriftbilder, Karten, Formeln und Randnotate überwuchern den Text. Seit dieser Veröffentlichung arbeitet die Schriftstellerin am dritten Teil. Gegenüber der Zeitung „Falter“ (36/03) äußerte Elfriede Jelinek: „Es ist ein singuläres Werk, vor dem man nur stehen kann wie ein Gläubiger Muslim vor der Kaaba. Wahrscheinlich bin ich im ganzen zu klein für Marianne Fritz, sie geht nicht in mich hinein.“

Fritzpunkt

Seit 2002 veranstaltet das Stadt Theater Wien unter dem Namen Fritzpunkt eine ständige Reihe von Lesungen, Aufführungen und Versuchen öffentlicher Aneignung des Werks von Marianne Fritz.

Das Fritz-Manöver, eine Übung für den Ernstfall, das aktuellste Beispiel für diese Auseinandersetzung, bestand im Versuch, 1357 Menschen auf der Stadtwildnis Gaudenzdorfer Gürtel in Wien zu versammeln, um jeweils eine Doppelseite aus dem Roman Naturgemäß II simultan zu lesen, womit in etwa 10 Minuten der gesamte Roman bewältigt werden könnte. Am 11. September 2006 fanden sich einige hundert Literaturbegeisterte zur ersten Übung für den Ernstfall (der selbstverständlich und naturgemäß nie eintreten darf, weswegen permanent und inständig weitergeübt werden muss) zusammen.

Werke

Die Schwerkraft der Verhältnisse; Frankfurt a.M.: S. Fischer 1978.

Das Kind der Gewalt und die Sterne der Romani; Frankfurt a.M.: S. Fischer 1980.

Was soll man da machen. Ein Einführungsband zum Roman „Dessen Sprache du nicht verstehst“; Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1985.

Dessen Sprache du nicht verstehst (3 Bände); Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1985.

Naturgemäß I. Entweder Angstschweiß Ohnend oder Pluralhaft (5 Bände); Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1996.

Naturgemäß II. Es ist ein Ros entsprungen / Wedernoch / heißt sie (5 Bände); Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1998.

Siehe auch

Personaldaten

Frau Fritz, Marianne
Ort: Wien
Tätigkeit:
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Handynummer:
Fax:
E-Mail:
Geburtsdatum: 1948-12-14
Geburtsort:
Todesdatum:
Todesort:
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