ie Kärntnerin Maja Haderlap wurde Siegerin im Wettlesen. Ihr Text "Im Kessel" behandelt den Widerstand der Kärntner Slowenen gegen das NS-Regime. Er ist präzise gearbeitet und streckenweise hochpoetisch.
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Lange, 35 Jahre hat es gedauert, bis eine Österreicherin Bachmann-Preisträgerin geworden ist: Mit der Kärntnerin Maja Haderlap geht der mit 25.000 Euro dotierte Preis nun zum zweiten Mal in die Heimat der Namensgeberin. Der Kärntner Gert Jonke war 1977 der erste Bachmann-Preisträger. Und nun also die 1961 in Bad Eisenkappel geborene Dichterin.
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„Im Kessel“ heißt der Siegertext. Der Ausschnitt aus einem Roman spielt auf drei zeitlichen Ebenen: nach 1941, als der Partisanenkampf gegen Nazi-Deutschland begann, in den späten 1960er-Jahren, in denen die Ich-Erzählerin aufwuchs, und in der Gegenwart. Einer Gegenwart, in der vor wenigen Tagen das Ortstafel-Gesetz im Parlament beschlossen wurde, das bereits der Staatsvertrag von 1955 gefordert hat. Juror Hubert Winkels nannte den Text deshalb „die Geschichte zum Ortstafelstreit“.
Darin liegt zugleich seine Aktualität wie seine Schwäche. Der Verdacht der Spekulation wird nur schwer zu entkräften sein, wenn man weiß, dass das fertige Buch unter dem Titel „Engel des Vergessens“ nächste Woche auf den Markt kommt.
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„Der klingende Name Dachau“
Es stimmt, was Jurorin Daniela Strigl, die Haderlap vorgeschlagen hat, in ihrer Laudatio sagte: dass der Widerstand der Kärntner Slowenen gegen das Dritte Reich in der deutschsprachigen Literatur noch wenig Niederschlag gefunden hat. Daraus ergibt sich aber auch die Schwierigkeit, die eine Autorin vor enorme poetische Probleme stellt: Wie kann man über den Kampf gegen die Nazis anders als in Schwarz-Weiß-Malerei schreiben? Wie schafft man es, den Widerstand gegen ein verbrecherisches Regime zu beschreiben, ohne in Heldenverehrung zu verfallen, die selbst faschistoide Züge hätte.
Maja Haderlap versucht sich diesen Problemen durch eine Kinderperspektive zu entziehen. Woran sich Meike Feßmann bei der Diskussion über den Text stieß: Einen Satz wie „der klingende Name Dachau, den ich schon kenne“, könne man auch aus dieser Sicht nicht schreiben. Aus dem Zusammenhang gerissen, hätte er eine fatale Wirkung. Womit die Jury beim Thema „politische Korrektheit“ angelangt war. Und die ist in der Tat ein Problem des Textes. Literatur ist ein Instrument der Differenzierung, oder sie ist keine Literatur. Wenn man von vornherein weiß, wer die Guten und wer die Bösen sind – in Anbetracht der Historie gar nicht anders sein können –, gewinnt eine Geschichte leicht an Eindimensionalität. Die hat vielleicht im Journalismus ihren Platz, nicht aber in der Literatur.
„Ja, wir hatten höher oben einen Bunker, sagte er. Dein Großvater hat den Kurierposten geleitet. Ich habe gekocht. Es war sehr gefährlich.“ Die Gefahr, in unliterarische politische Korrektheit zu kippen, ist bei diesem Thema so hoch wie die Karawanken. Davon abgesehen hat Maja Haderlap einen präzise gearbeiteten, streckenweise hochpoetischen Text vorgelegt, der autobiografisch grundiert, aber nicht nur deshalb berührend ist.
Wie für den Hauptpreis brauchte die heuer muntere und diskussionsfreudige Jury auch für den Kelag-Preis fünf Durchgänge. Zuletzt erreichte Steffen Popp eine knappe Mehrheit. Er wurde für die „Spur einer Dorfgeschichte“ ausgezeichnet, die starke lyrische Elemente aufweist. „Dorfhäuser, Scheunen, Garagen klumpen am Hang, künden von materieller Not, technischem Unverstand. Bewegungen von Köpfen hinter Gardinen“, heißt es auf der ersten Seite und weist eine Spur in die DDR, wo der Autor 1978 geboren wurde. Es geht darin um die Rekonstruktion der Geschichte eines Dorfes in Thüringen. Es ist ein leiser, nostalgischer Text ohne besondere Dramaturgie, dafür aber eindringlich und dicht. Damit hat sich die Jury noch einmal gegen das allzu Schrille in der Literatur entschieden.
Lange als Favoritin gehandelt, schaffte es die junge Frankfurterin Nina Bußmann beim dritten Anlauf zum 3sat-Preis. Die Wahrheit ist dem Menschen zwar zumutbar, wie Ingeborg Bachmann einst meinte, aber unzugänglich, wie Bußmann mit ihrem Text „Große Ferien“ ausführte. Denn was sich zwischen dem verunsicherten Lehrer Schramm und seinem begabten Schüler Waidschmidt wirklich abspielt, erfahren wir nicht. Auch Bußmanns Beitrag zum Bachmann-Preis ist unaufgeregt, in einer klaren Sprache geschrieben. Ein glatter Text, ohne Ecken und Kanten. Wollte man einen Einwand gegen ihn finden, so den, dass man nicht weiß, „wie ernst es ihm war mit seinem angedauten, hingeworfenen Gedankengewöll“ (wie es in dem Text heißt).
Satire auf den „neuen Menschen“
Hartnäckig setzte sich der Schweizer Juror Alain Claude Sulzer für seinen Autor Leif Randt ein, weshalb der noch den Ernst-Willner-Preis erhielt. In seinem Text tauchen wir ein in den „schimmernden Dunst über CobyCounty“ und damit in eine Wellness-Welt, in der jegliche Tragödien beseitigt sind. War man 1948 schon längst in George Orwells „1984“ angelangt, so ist diese „Geschichte der Generation Obstkorb“ bei Weitem keine Utopie, sondern eine Satire auf den „neuen Menschen“, den es bereits gibt. Erwartbar war, dass der Publikumspreis an Thomas Klupps „9to5 Hardcore“ gehen würde, ist das doch eine witzige Persiflage auf den Universitätsbetrieb, mit der sich Daniela Strigl sehr identifizieren konnte. Dass alleiniges Datensammeln noch kaum Wissen generiert und schon gar nicht das achtstündige Betrachten von Vaginen Lust bereitet, führt Klupp amüsant vor.
Maja Haderlap, geboren 1961 in der Südkärntner Gemeinde Bad Eisenkappel resp. Železna kapla, studierte Theaterwissenschaften und Philologie in Wien, arbeitete als Dramaturgieassistentin in Triest und Ljubljana. 1992 holte sie Intendant Dietmar Pflegerl als Chefdramaturgin ans Stadttheater Klagenfurt, sie blieb 15 Jahre. Lyrik schreibt Haderlap in ihrer slowenischen Muttersprache. Ihr erster Roman „Engel des Vergessens“ ist beim Wallstein-Verlag erschienen.
Steffen Popp, geb. 1978 in Greifswald (Deutschland), bekam den Kelag-Preis. Er ist vor allem Lyriker, seine Gedichte erscheinen öfters in der FAZ.
Nina Bußmann, geb. 1980 in Frankfurt am Main, bekam den 3sat-Preis. Sie hat Komparatistik und Philosophie in Wien und Warschau studiert.
Leif Randt, geb. 1983 in Frankfurt am Main, bekam den Ernst-Willner-Preis. Studiert hat er kreatives Schreiben. Der „Zeit“ sagte er einmal, seine Texte seien „aus Versehen politisch“.
Thomas Klupp, geb. 1977 in Erlangen, bekam den Publikumspreis. Er arbeitet seit 2008 an einer „Dissertation zu Poetiken zeitgenössischer Romane“.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.07.2011)
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