Neuer Wind in der slowakischen Kulturpolitik

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Neuer Wind in der slowakischen Kulturpolitik

Seit dem 15. Juni gibt es in Bratislava einen neuen Kulturminister, František Tóth, von der Allianz des Neuen  Bürgers (Aliancia nového občania). Er ersetzt Rudolf Chmel von der gleichen Partei, der Tóths Posten als Staatssekretär im Unterrichtsministerium übernimmt. Seine zwei wichtigsten Aufgaben sieht er in der Fertigstellung des Nationaltheaters und in einer Erhöhung des Kulturbudgets, vor allem der Filmförderung.

Seit mehr als zwanzig Jahren wird in Bratislava das Nationaltheater gebaut, eine ewige Baustelle, die wesentlich zum Rücktritt des Vorgängers beigetragen hat. Zwischen dem Wirtschaftsministerium und dem Kulturministerium war es zu einem Kompetenzstreit gekommen, da Chmel nicht bereit war, das Nationaltheater aus den Mitteln des Kulturbudgets fertigzustellen. Tóth hat für das Nationaltheater schon eine Lösung gefunden, die in der vergangenen Woche vom Parlament abgesegnet wurde. Der Bauabschluss des neuen Nationaltheaters soll durch den Verkauf des Gebäudes des alten Nationaltheaters am Hviezdoslav-Platz und der Generaldirektion finanziert werden und durch weitere 23 € aus dem Staatshaushalt auf Kredit. Am Mittwoch beschloss das Parlament noch für dieses Jahr 12,9 € bereitzustellen, im nächsten Jahr sollen weitere 10,3 € bereitgestellt werden. Im Mai nächsten Jahres soll das Gebäude fertig sein, damit der Umzug aus dem alten Nationaltheater beginnen kann. Die erste Premiere im neuen Gebäude, in das auch die Kleine Szene (Mladá Scéna) einziehen soll, wird nach den Worten des Ministers im September 2006 stattfinden.

Auch im zweiten Punkt gibt es schon konkrete Ziele, die mit dem Finanzminister Ivan Mikloš besprochen sind: Tóth möchte die Filmförderung im nächsten Jahr auf 3,95 Mill. € erhöhen. Bisher beträgt die Unterstützung des slowakischen Films von Seiten des Ministeriums 2,24 €. Wenn man bedenkt, dass die gesamte österreichische Filmförderung vom Bund 13,93 Mill. € beträgt, ist dies eine nicht zu unterschätzende Summe. Die Finanzspritze soll zu einer Trendumkehr im slowakischen Filmschaffen führen. Weitere Punkte des Ministers sind die Ausweitung des Kulturbudgets und eine Professionalisierung der Stiftungen. Die Kultur sollte nach Tóth stärker von der öffentlichen Hand finanziert werden, worüber er schon mit dem Finanzminister Ivan Mikloš verhandelt hat. Zugleich möchte er die Effektivität der geförderten Einrichtungen stärker kontrollieren. So wird die frisch sanierte Nationalgalerie nur von sechzehn Personen pro Tag besucht. Auch die Finanzierung der Kirchen, die in der Slowakei in das Kulturressort fällt, soll neu überdacht werden. Bei einem Besuch in der Ostslowakei hat der Minister auch eine Aufstockung der Minderheitenförderung versprochen, sodass leicht der Verdacht entsteht, dass Tóth mehr verspricht, als er halten kann.

František Tóth, Jahrgang 1963, gehört zu jungen, dynamischen Politikern der slowakischen rechtsliberalen Regierung. Seine Forderung, die Kultur stärker durch die öffentliche Hand zu finanzieren, steht an sich im Widerspruch zur neoliberalen Ausrichtung seiner Partei, der Allianz des Neuen Bürgers (ANB). Tóth studierte an der Maschinenbaufakultät Pädagogik und gründete 1991 das erste Privatgymnasium, deren Direktor er bis 2002 war. Dann wechselte er als Staatsekretär ins Unterrichtsministerium, wo er im Frühjahr dieses Jahres das Reformpaket des Ministers Martin Fronc scharf kritisierte. Dies führte zu seiner Entlassung als Staatssekretär und öffnete ihm den Weg ins Kulturministerium.  Die Opposition nutzte die Gelegenheit, einen Misstrauensantrag gegen den Unterrichtsminister und den Ministerpräsidenten Mikuláš Dzurinda einzubringen, den beide jedoch unbeschädigt überstanden. Die Schul- und Universitätsreform war übrigens von heftigen Schülerprotesten begleitet, bei denen in einzelnen Städten bis zu 2000 Schüler auf die Straßen gingen.

Dem neuen Kulturminister wird vorgeworfen, dass er nicht aus dem Kulturbereich kommt. Doch das birgt zugleich die Chance, das er unabhängig von Netzwerken und Seilschaften Reformen durchziehen kann. So wurde dem Vorgänger Rudolf Chmel angelastet, dass er Subventionen für Institutionen aus der Mečiar-Zeit weiterhin auszahlte und sich nicht zu einem Schnitt   aufraffen konnte. So ist die Stiftung Pro Slovakia, die nach 1989 zur Förderung slowakischer Kultur im Ausland gegründet wurde, unter Mečiar in Verruf geraten, da sie nur regierungsfreundliche Künstler förderte. Mit Regierung Dzurinda hatte man nach 1998 mit einer grundlegenden Neustrukturierung der Stiftung gerechnet, was aber weder in der ersten Legislaturperiode noch in der zweiten bisher geschehen ist. Tóth ließ mit seiner Äußerung, dass die anstehende Kulturreform bisher noch nicht einmal begonnen habe, aufhorchen. So ist vielleicht mit der Ankündigung, die bestehenden Stiftungen stärker unter die Lupe zu nehmen, gerade dieses Problem gemeint. Der neue Kulturminister hat zur Umsetzung seiner Vorhaben bis zur nächsten Wahl im Herbst kommenden Jahres nur eine äußerst kurze Frist.

Stephan Teichgräber

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