Der Schriftsteller Michal Viewegh wurde am 31. März 1962 in Prag geboren. Er studierte Tschechisch und Pädagogik an der Prager Karlsuniversität. Danach arbeitete er als Lehrer an einer Grundschule, später als Verlagsredakteur. Seit 1995 widmet er sich ausschließlich dem Schriftstellerberuf. Er lebt in Prag und Sázava nad Sázavou.
Michal Viewegh erfreut sich bei den Lesern außerordentlicher Beliebtheit. Seine Bücher erschienen in einer Auflagenhöhe von insgesamt mehr als einer dreiviertel Million Exemplare, wurden in zwanzig Sprachen übersetzt und waren Vorlage zu einer Reihe von Film- und Theateradaptionen. Angesichts dessen, dass das Werk des Schriftstellers in gewissem Maße autobiografischen Charakter hat, muss auch auf den außerliterarischen Aspekt des Phänomens Viewegh aufmerksam gemacht werden. Als eine aus den Medien bekannte Person erscheint der Verfasser in seinen Büchern (die auf dem Spiel zwischen Realität und Fiktion aufgebaut sind) wie bei einer eigenartigen „Reality-Show“: Die belletristischen Texte können vom Leser dem wahren Leben des Schriftstellers, wie es in den Medien präsentiert wird, gegenübergestellt werden. Die Rezeption des Werkes wird so um die Komponente der Quasi-Authentizität erweitert bzw. durch die Möglichkeit, eine Geschichte auf zweierlei Weise zu erleben.
Viewegh debütierte 1990 mit der Novelle „Názory na vraždu“ (Ansichten über Mord). Die Krimihandlung war hier nur Vorwand zu einem kunstvollen Miniaturgemälde der Charaktere und Beziehungen von Menschen in einer Kleinstadt. Die Unterschiedlichkeit der Blickwinkel kam dem Bemühen des Autors entgegen, „die Wahrheit in ihren Widersprüchen zu finden“. Bereits hier bewies Viewegh seinen Sinn für Ironie, fürs Detail, für verfremdende Effekte, für kluge psychologische Beobachtungen und vor allem fürs geschickte Erzählen.
Als souveräner Erzähler präsentierte er sich auch 1992 in seinem bis heute unübertroffenen Zweitwerk „Báje?ná léta pod psa“ (Blendende Jahre für Hunde, deutsch bei Kiepenheuer & Witsch, Köln 1998). Anhand der Geschichte einer Familie schildert er die wichtigen Umbrüche der neuesten tschechischen Geschichte von den Sechzigerjahren über die Zeit der so genannten „Normalisierung“ bis zum Fall des Kommunismus. Bravourös und witzig stellt er dar, wie sich „große“ und „kleine“ Geschichte durchdringen (zum Beispiel in der Szene, als zu Beginn der sowjetischen Okkupation im August 1968 jemand einen Zettel aufhängt, um das Entfliegen eines Wellensittichs anzuzeigen, während alle anderen politische Flugblätter kleben). Seine erwachsenen Helden schließen zwar Kompromisse mit dem totalitären Regime, aber der Autor verurteilt sie nicht, er zeigt nur, dass alles viel komplizierter ist, als es bei oberflächlicher Betrachtung erscheinen mag. Sein humorvoller, dabei aber keineswegs verflachender Blick auf die heiklen Momente der tschechischen Geschichte wurde von den meisten Leser mit Erleichterung aufgenommen.
Die Eingangsszene mit der Geburt des Haupthelden während einer Vorstellung von Becketts „Warten auf Godot“ war zudem der Startschuss für die zwanghafte ironische Kritik des Autors an Pseudointellektuellen, an verlogenen Einstellungen im Leben und in der Kunst. Auch die Figur des Schriftstellers und das Thema der Reflexion des Schreibprozesses sollten sich von nun an durch die meisten Bücher von Viewegh ziehen. Dieser genau zum richtigen Zeitpunkt erschienene Roman erlebte ein gewaltiges Echo, wohingegen die darauf folgenden Werke trotz ihres kommerziellen Erfolgs immer ein wenig in seinem Schatten geblieben sind. Die meisten von ihnen erhielten von der Kritik den Aufkleber „erfrischt zwar, reinigt aber nicht“.
Die Novelle „Výchova dívek v ?echách“ (Erziehung von Mädchen in Böhmen, deutsch bei Deuticke, Wien 1998), eine Art postmoderne Variation des Märchens von der traurigen Prinzessin, die der Held zum Leben erwecken soll, ist 1994 der erste Text, bei dem Viewegh neben der Familienthematik attraktive Motive aus der sog. Massenliteratur für die Handlung seiner Bücher wählt. Am häufigsten ist das die love story („Román pro ženy“ [Roman für Frauen], deutsch bei Deuticke, Wien 2002), manchmal auch mit dem Hauch von Krimi („P?ípad nev?rné Kláry“ [Der Fall untreue Klára], deutsch in Vorbereitung bei Zsolnay, Wien). Damit im Zusammenhang steht auch die immer wieder vorgetragene Polemik des Autors darüber, was in der Literatur und damit auch im Leben Kitsch ist und was nicht. Auch sonst begleiten Widersprüche und Polemiken, manchmal anregend, an anderer Stelle auch kontraproduktiv, seine gesamte Karriere.
Die unterhaltsamen, von der Gegenwart berichtenden und hinsichtlich der Erzähltechnik erfindungsreichen Bücher von Viewegh (die zudem in Sachen Marketing überdurchschnittlich gut betreut werden) ziehen in großem Maße „normale“ Leser an. Das Kommentieren des Schreibprozesses („Výchova dívek v ?echách“, „Ú?astníci zájezdu“ [Die Teilnehmer der Busreise], „Lekce tv?r?ího psaní“ [Lektionen in kreativem Schreiben]), intertextuelle Anspielungen und überhaupt die Reflexion von literarischer Manipulation der Realität erzwingen andererseits die Aufmerksamkeit von Intellektuellen. Seit „Výchova dívek v ?echách“ gibt es jedoch ebenfalls ein großes Missverständnis zwischen der Literaturkritik und dem Autor, der seinerzeit „Kontaktoffizier“ zwischen hoher und kommerzieller Literatur sein wollte.
Von Seiten der Kritik ging es z. B. um die unpassende Bewertung von Vieweghs Werk mit moralischen Maßstäben (Vorwürfe in Richtung der „konsumfreudigen“, von materiellem Wohlstand verzauberten Helden) oder das Einfordern „gewichtigerer“ Themen auf Kosten von „banalen“. Von Seiten des Autors, der beinahe jedes Jahr ein neues Buch veröffentlicht, kamen wiederum fast schon hysterische Reaktionen auf Kritiken (z. B. das Lächerlichmachen konkreter Kritiker in späteren Büchern). Es ist die Frage, ob solche Reaktionen nicht von einer gewissen Unsicherheit des Autors zeugen, die ihn zwingen, seine Werke so vehement in Schutz zu nehmen.
Fakt ist, dass sich Vieweghs Themen, wenngleich er sich auch bei alltäglichen oder gar trivialen Stoffen seine erzählerische Meisterschaft und seinen Sinn für scharfe Beobachtungen bewahrt hat, zumindest für gewisse Zeit (überwiegend) auf die Probleme eines berühmten Schriftstellers mit den Frauen reduziert hatten. Als größter Gewinn aus den Diskussionen um Viewegh erweist sich mit zeitlichem Abstand der Streit um die Perfidität des Begriffs „banaler Mensch“, das Thema der Beziehung von privatem und öffentlichem Leben, das Kritisieren intellektueller Klischees oder auch die Verteidigung der Literatur als Spiel mit der Realität.
Von den bisher noch nicht genannten Werken des Autors soll z. B. noch „Báje?ná léta s Klausem“ (Blendende Jahre mit Klaus) von 2002 Erwähnung finden, ein Versuch, an das erfolgreiche zweite Buch anzuknüpfen. Allerdings bot der Zeitraum von lediglich einem Jahrzehnt nach der samtenen Revolution nicht genug Raum für bedeutungsvollere geschichtliche Umbrüche. Zudem wird das Politische hier lediglich von einer, wenn auch für jene Ära emblematischen Titelfigur prägnant verkörpert. Das Buch ist vordergründig im Prinzip ein engagierter Text gegen eine arrogante Partei. Auf einer zweiten, viel massiveren Ebene bietet sie eine typisch Viewegh’sche Familienchronik. Zum wiederholten Male verfolgen wir mit dem Erzähler das Zerbrechen seiner Ehe, neue Beziehungen und schließlich die Gründung einer neuen Familie. Deutlicher vernimmt man hier allerdings die melancholischen Töne des Alterns, der Endlichkeit des Lebens und generell des Bilanzierens. Voll und ganz hörbar werden sie 2004 im Roman „Vybíjená“ (Völkerball, deutsch bei Deuticke, Wien 2005) von, einem Mosaik aus Schicksalen einiger ehemaliger Schulkameraden aus einem Gymnasium. Dieses erzähltechnisch ungewöhnlich gedämpfte und kompakte Werk wird von der Kritik in der Regel gleich hinter „Báje?ná léta pod psa“ eingeordnet. Einen an manchen Stellen schon fast wie bei Tschechow wirkenden leicht traurigen Tonfall finden wir auch 1999 in dem Erzählband „Povídky o manželství a o sexu“ (Geschichten über Sex und Ehe, deutsch bei Deuticke, Wien 2004).
Wir dürfen aber auch das rein humoristische Werk von Viewegh nicht vergessen, das sowohl von einheimischen Vorbildern als beispielsweise auch durch Woody Allen beeinflusst wurde. Es geht um „Nápady laskavého ?tená?e“ (Einfälle eines geneigten Lesers), zwei Bände mit literarischen Parodien, die 1993 und 2000 erschienen sind. Eine Genreparodie ist zum Teil auch der „Román pro ženy“ von 2001. Als aufmerksamer, engagierter und witziger Feuilletonist stellte Viewegh sich in seinen Zeitungskolumnen vor, die jeweils in Auszügen 2000 als „Švédské stoly aneb Jací jsme“ (Kalte Büffets oder Wie wir so sind) und 2003 als „Na dvou židlích“ (Zwischen zwei Stühlen) erschienen sind.
Einen vereinzelten Versuch auf dem Gebiet des Dramas stellt sein 1990 verfasstes, aber erst 2004 veröffentlichtes Theaterstück „R?že pro Markétu“ (Rosen für Markéta) dar, das die Ereignisse an der Philosophischen Fakultät der Prager Karlsuniversität nach der samtenen Revolution 1989 ironisch darstellt.
Bibliographie:
Názory na vraždu ?eskoslovenský spisovatel 1990 Tschechisch
Báje?ná léta pod psa ?eskoslovenský spisovatel 1992 Tschechisch
Nápady laskavého ?tená?e Petrov 1993 Tschechisch
Výchova dívek v ?echách ?eský spisovatel 1994 Tschechisch
Ú?astníci zájezdu Petrov 1996 Tschechisch
Zapisovatelé otcovský lásky Petrov 1998 Tschechisch
Povídky o manželství a o sexu Petrov 1999 Tschechisch
Nové nápady laskavého ?tená?e Petrov 2000 Tschechisch
Švédské stoly aneb Jací jsme Petrov 2000 Tschechisch
Román pro ženy Petrov 2001 Tschechisch
Báje?ná léta s Klausem Petrov 2002 Tschechisch
P?ípad nev?rné Kláry Petrov 2003 Tschechisch
Na dvou židlích Petrov 2003 Tschechisch
Vybíjená Petrov 2004 Tschechisch
R?že pro Markétu aneb Ve?írky revolucioná?? V?trné mlýny 2004 Tschechisch
T?i v háji (s H. Pawlowskou a I. Hercíkovou) Motto 2004 Tschechisch
Lekce tv?r?ího psaní Petrov 2005 Tschechisch
Báje?ný rok (deník 2005) Druhé m?sto 2006 Tschechisch
And?lé všedního dne Druhé m?sto 2007 Tschechisch
Román pro muže, 2008, verfilmt 2010, Regie: Tomáš Bařina
Biomanželka, 2010
Mafie v Praze, 2011 (deutsch: Die Mafia in Prag, Deuticke Verlag, Wien 2014, ISBN 978-3-552-06258-0)
Mráz přichází z Hradu, 2012
Čarodějka z Křemelky, 2015
Herr
Viewegh, Michal
Ort:
Prag
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1962-03-31
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