Gert Jonke gestorben: Ein wahrer Poet

Gert Jonke gestorben: Ein wahrer Poet

Gert Jonke war ein bedeutender Literat, er hatte einen ganz eigenen Ton. Jonke war 1977 der erste Preisträger des Ingeborg Bachmann-Preises.

Gespräche mit Gert Friedrich Jonke zählten zu den erhellendsten Begegnungen, die man mit einem Autor haben kann. Dieser zierliche Mann ließ sich geradezu beim Denken zuhören. Liebevoll rang er um Formulierungen, voll heiligem Ernst, zugleich aber mit heiterer Gelassenheit und Respekt vor dem Gegenüber, ein listig lächelnder Don Quichotte der Sprache. Gert Jonke war der Poet unter Österreichs Schriftstellern, ein großer musikalischer Dichter der deutschsprachigen Literatur. Doch das ließ er sein Gegenüber beileibe nicht spüren.

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Zuletzt, als er schon vom Krebs an der Bauchspeicheldrüse gezeichnet war, als ihm zum dritten Mal der Nestroy-Theaterpreis verliehen wurde, für „Freier Fall“, hielt er eine tapfere Rede. Um das Nicht-sterben-Können eines Selbstmörders geht es in dem Stück. Jonke erzählte nun wie beiläufig eine Anekdote von einem Zwillingsbruder, als wolle er dem Kulturbetrieb diskret vorhalten, wie blind der eigentlich sei.

Er selbst aber war klarsichtig und genau, umfassend gebildet und schöpferisch: Prosa, Lyrik, Hörspiele, Libretti, Drehbücher und Stücke verfasste er bis zum Schluss. In Wien hat er Germanistik, Philosophie, Geschichte und Musikwissenschaft studiert. Seinen ersten Job fand er in der Hörspielabteilung des Süddeutschen Rundfunks. Schon das erste größere Werk des Klagenfurters, „Geometrischer Heimatroman“ aus dem Jahre 1969, ist originär. Jonke experimentiert beim Erzählen, mischt realistische Beschreibungen mit dem Fantastischen, trifft einen ganz eigenen Ton.

Bereits zu den Klassikern zählt seine Trilogie um den Komponisten Fritz Burgmüller, die er 1977 mit den Erzählungen „Schule der Geläufigkeit“ begann, 1979 mit dem Roman „Der Ferne Klang“ fortsetzte und 1982 mit der Erzählung „Erwachen zum großen Schlafkrieg“ vollendete. Was für ein herrliches Gartenfest wird im ersten Teil geschildert, das die exakte Wiederholung eines früheren Festes sein soll: „die gegenwart der erinnerung“! Mit einem Fest der Sprache und der Illusion beginnt ein großer Künstlerroman, der immer auch eine Reflexion über die Sprache ist, über Identität. Innenwelt und Außenwelt haben hier keine Trennlinie. Sie gehören zur Traumzeit. „Feste“, gestand der Autor, „waren immer die zauberhaftesten Erlebnisse für mich. Sie haben immer wieder etwas ausgelöst.“

Späte Triumphe an der Burg

1977 erhielt Jonke den ersten Bachmann-Preis, in den Achtzigerjahren wurde es stiller, dann aber folgten in den Neunzigerjahren Auszeichnungen wie der Fried-Preis und der Kafka-Literaturpreis, der Große Österreichische Staatspreis für Literatur, der Kleist- und der Schnitzler-Preis.

Jonkes spätere Prosawerke „Stoffgewitter“ (1996) und „Himmelsstraße – Erdbrustplatz oder das System von Wien“ (1999) wurden sehr ambivalent aufgenommen, die Kritiken reichten von schierer Begeisterung bis zum Verriss. Er nahm beides mit Gelassenheit.

Triumphe feierte Jonke, der Ende der Achtzigerjahre mit dem Verfassen von Dramen begann, zuletzt am Burgtheater. Christiane Pohle hat vor „Freier Fall“ (2008) auch schon „Die versunkene Kathedrale“ (2005) und „Chorphantasie“ (2003) inszeniert, artistische, raffinierte Texte voller Musikalität. Wie ein Vermächtnis wirkt es nun, dass im vergangenen Jahr bei Jung und Jung der Prachtband „Gert Jonke – Alle Stücke“ erschienen ist.

Auf die Leichtigkeit angesprochen, mit der Jonke über das Fürchterliche schrieb, sagte er: „Über etwas so Schreckliches wie die Selbstbeseitigung kann man wahrscheinlich nur mit einem lebensbejahenden Witz schreiben, um es überhaupt auszuhalten.“ Er kriege manchmal Tobsuchtsanfälle, wenn er über Apokalyptisches nachdenke. „Die Tobsucht ist bei mir zwar nicht glaubwürdig, aber zumindest wirkt sie auf mich befreiend.“ Er machte es sich nicht leicht, auch wenn seine virtuose Sprache, die bleiben wird, Leichtigkeit vermittelt. Das Schreiben selbst nämlich war ihm nicht so lieb wie das Gefühl, dass er etwas geschrieben hat. „Wenn ich etwas geschrieben habe, bin ich eine Zeit lang ruhig.“

JONKE: LEBEN UND WERK

■Gert Jonke wurde am 8. Februar 1946 in Klagenfurt geboren, besuchte dort das Gymnasium, lernte daneben Klavier. In Wien studierte Jonke Germanistik, Philosophie, Geschichte und Musikwissenschaft. Dichtung und Musik waren für ihn eng verknüpft. Nach Auslandsaufenthalten kam Jonke 1978 als freier Schriftsteller nach Österreich zurück.

■Sein erstes Buch, „Geometrischer Heimatroman“ (1969), machte Jonke sofort bekannt, der Vielseitige verfasste Erzählungen, Essays, Romane, Drehbücher, Theaterstücke, Hörspiele, erhielt viele wichtige Auszeichnungen. Er war erster Bachmann-Preisträger 1977, bekam den Österreichischen Würdigungspreis für Literatur 1987, den Nestroy-Theaterpreis öfters, zuletzt 2008 für „Freier Fall“.

2009-01-05