Asche und Wonne

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Schutthaufen

Es begann mit Schizophrenie.

Schiefes Licht weckte sie täglich.

Das Haus bebte durch das Dröhnen der Straßenbahn.

Schon von klein auf.

Wir werden heimisch, Stunde für Stunde.

Hier in dieser Halde lebten wir mit dem Bruder.

Hier weckte uns der Lärm.

Der Weihnachtsbaum stand hier

und daneben in der Küche wohnte die Großmutter.

Die Schritte klangen hier,

Klappern des Bestecks, Aufdrehen des Wassers, Lachen,

der Kamm vor den Spiegel gelegt.

Du hattest lange Haare.

Dass du aus dem Schutthaufen Bücher, Fotos herausziehen wirst,

Briefe und Juwelen.

Dass du dort deine Kinderhände, deinen Kopf,

deinen Schlaf und deine Angst findest.

Woran klammern wir uns.

An den Untergang wie immer.

Wohin kehre ich zurück.

An die Wand.

Den Staub kränkt das nicht mehr,

wisch ihn nicht mehr fort.

Pendel

Meine Leidenschaften werden von Flechten bedeckt,

Wellen, allein nachlassende Wellen,

aber das ist nicht die Zeit.

Und trotzdem wird ein glühendes Licht wieder

aus der Tiefe an die Oberfläche gebracht,

aus ihr ziehe ich gierig

Kirschrauch.

Winter, zwischen deren Körper der Raum

wütend enger wird.

Wie im hölzernen Sarg

fühle ich mich auf Matrazen.

Im Raum der Haut, der Sehnsüchte,

der Gedanken, der Muskeln

nimmst du mich nicht mehr als Wesen wahr,

sondern was ewig war.

***

Warum sollte sich mein Denken auf die lange

Reise der Zukunft begeben,

von ihm wird man nichts wissen?

Wenn /Kéž/ es wieder verlorenginge

im Wald der Töne und Stimmen und ihnen rein entkäme.

Lähmt mich die Banalität der Auslegung

meines Lebens.

Beim Blick nach oben stehen die Wolken,

ziehen die Gebäude. Und ich?

Eine Eintagsfliege in der Fliesensiedlung.

***

Proč by se mé myšlení mělo vydávat

na dlouhou pouť budoucnosti,

o níž nebudu nic vědět?

Kéž bych se znovu ztratila

v lese zvuků a hlasů a vyšla z nich čistá.

Ochromuje mě banalita výkladů

mého života.

Při pohledu vzhůru mraky stojí,

budova pluje. A já?

Jepice v sídlišti dlaždic.

***

Ich habe das Leben am Ufer gefeiert

in der Brandung die Erregung und die Sonne

zogen mir vom Körper

die lange Verbitterung

Meine Träume stützen sich auf Steine

und flossen mir über schwache Finger

in weißen Schaum

Zwischen den Schenkeln hob sich mir

ein Meer wie ein Feuerwerk

und Schneckenbüschel an Klippen gesaugt

saßen fest an meiner Seite

Ich war in den Wellen nicht allein

in der Bucht bewegte die nächste Zeit

das zarte Gewebe des Wassers

es wusste von meinem Blut

Weißer Giebel

Ich kann den ganzen Tag warten und überhaupt nicht hinaus gehen.

Ich kann den ganzen Tag an verlorene Dinge denken

und mit niemandem reden.

Abends begann es zu schneien

und in der Nacht war der Hof bedeckt auch mit Autos.

Erst ein paar Stunden später tauchten im Schnee

Spuren auf, später als die Stimmen verklangen.

Früh schneite es weiter, aber es kam die Sonne,

bald pochte das Wasser in der Dachrinne.

Und meine Angst, dass wenn ich krank wäre

oder stürbe, niemand an mein Bett käme.

Darum habe ich absichtlich alle weggejagt,

damit ich nicht ein weiteres Mal jemanden verliere.

***

So mächtig wie ich einst

reden wollte

muss ich jetzt schweigen

Mit diesem Mund komme ich

dem Schrei zuvor mit dem Wort das klingt

Ich werde ein Mohnglühen

über dem Wald wie das tote

verschwindende Licht

Und weiter gegenwärtig

wie ein Tadel in den Augen

werde ich schweigend die Dinge beobachten

Himmel und Hauch

Auf einmal kein Zweifel. Das bist du nicht.

Du öffnest die Tür, die du niemals geöffnet hast,

gehst in das Zimmer, das vortäuscht,

dass es deine lebenslange Zuflucht ist.

Gesichter würdest du erkennen

wenn sie nur bewusst wären.

In ausgewählte Monate

passt das ganze Leben.

Auch die Glasplatte nicht, auf ihr liegen deine Sachen,

auch der Wald ähnelt nicht einem Wald,

von Geflecht eingezäunt.

Nur Himmel und Hauch, Hauch und Himmel,

die gleichen Spinngeweben.

Solange sie dich erkennen und grüßen, sagst du,

so ist es gut.

Nur dass auch sie dann zerfallen,

in ihren Augen laufen die Gleise auseinander,

woher kommen sie, fragst du, aber das bist du nicht.

Aus welchem Tal in welche Flüsse.

Der Geliebte und die Augen

Auf der Glasplatte blieben Abdrücke

seiner Finger, auf der Brüstung Asche verbrannten

Kirschtabaks, die gestörte Struktur

des Staubs, wo er sich beugte.

Die Erinnerung an die Wonne verschwindet als erste.

Der Schnee mit seinen Spuren, in denen ich ging,

und wieder gehe ich am Zaun mit den zerrissenen Handschuhen vorbei.

Drastisch, sage ich, genau so drastisch,

ins Auge gefasst,

schmutzig und allein.

Er könnte auch ein Vogel sein

der aus den Federn blutet,

wenn man der Natur ein Zeichen

geben will.

Für heute, Ruhe, Treue und Ewigkeit

Sahst du heute dein Abbild

unter den Gittern des Brunnens, auf der Oberfläche,

dein Kopf schaute aus dem Kreis roter Ziegel heraus,

nur der Kopf und niemand anders.

Sahst du deinen Kopf auch im Fluss,

als du dich übers Ufer beugtest,

während an dir ein Schiff mit Pensionisten vorbeifuhr.

Abends fiel dein Blick auf schummrige Fenster,

du sahst auf dem Bett in deinem Alltagsanzug.

Die Vögel flogen um das Abbild deines Kopfes,

wie Gespenster in der Nacht Wände durchschreiten.

Es reichte dir die Regelmäßigkeit der Fenster, die Regelmäßigkeit der Wände,

rechte Winkel des Tisches, des Schrankes und der Tür.

Es reichte dir, dass die Lage deines Körpers

am Tag lotrecht war und in der Nacht waagerecht

und dass du dich einringeln konntest wie eine Schlange,

von der niemand weiß, ob sie giftig

oder zauberisch ist.

In der Nacht standest du unter der Dusche

und hörtest den Ton vorbeifahrender Autos

wie eine Brandung

und wusstest,

dass die Sehnsucht des Binnenlandes aufs Meer

die der Küste auf die Berge gerichtet ist.

Dass du in diesem Kreis nichts verlierst

Dass jeder Zufall auch dir (wie Frisch) alles

zeigt, was du fähig bist zu sehen.

Asche und Wonne

Ruhe ist im Sterben,

das uns einhüllt. Nebel

überm Wald, allmähliches Gespräch,

mählicher Gang, wir.

Gemeinsame Nächte,

in denen du dem Atmen zuhörst

und beobachtest das /stopený/ Gesicht

in Gedanken des schwimmenden Gehirns.

Alles weit um uns beruhigt:

das Feld, der Himmel, die Seeoberfläche und das Meer.

Vertieft sich in dich. Wollust, Blitz.

Erhebt sich auf Knie und Arme.

Schon lange weiß du nicht,

ob es um einen Wolllustseufzer geht oder ein Flehen,

rhythmischer Marsch hinter dem Sarg,

oder ein Liebesaufschlagen.

Weiße Blumen im Glauben

Warum gehen sie einer ohne den anderen ins Bett,

werden sie sich nach dem Tod an den Händen halten?

Sie gehen allmählich wie in den Maariienerzählungen,

ein in den Schlaf Wiegen in der Sanftheit ihrer Worte.

Bevor sich der Wind mit ihnen dreht,

zerstreut er die weißen Schuppen der Blumen

und Flaum am Federkiel, wo sie Petanque spielen,

mit Freunden, deren Schicksal dasselbe war.

Heute hört das Läuten für den Verstorbenen des Dorfes nicht auf,

ihm bleiben sie ebenso entfernt

wie die Grabsteine hinter der Kirche.

Es reicht, sich nicht zu nähern, dem Schmerz der Trennung auszuweichen.

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Author

Rudčenková, Kateřina

Die Dichterin Kateřina Rudčenková wur