Publisher:
Dokumentationstelle für ost- und mitteleuropäische Literatur
ISBN:
ISSN:
Publication Date:
4. Feber 2017
Edition:
1. Ausgabe
In stock:
YES
Email:
doml@chello.at
Country: Austria
|
Michal Habaj
Ich weiß was das ist töten
Ich weiß was das ist Massenmord
Ich weiß was das ist Genozid
Ich weiß was das ist Vernichten
Ich weiß was das ist Endlösung
Ich weiß was das ist schlachten
Mit kultivierten Methoden
Mit scheinbar freundlichen Technologien
Mit klimatischen und chemischen Waffen
Ich weiß was das ist Vernichten
Ich weiß was das ist Mord
Ich habe getötet
Ich habe das gemacht
Ich weiß was das ist Vermehrung (premnoženie)
Ich weiß was das ist Reduktion
Ich weiß was das ist Genozid
Ich weiß was das ist Massenvernichtung
Ich weiß was das ist Lebewesen auszurotten
Und dann ruhig zum aufgeschriebenen Gedicht zurückzukehren
Ich weiß was das ist ganze Generationen Wesen auszurotten
Und dann ruhig zum Abendessen zurückzukehren
Zu kleinen Brötchen mit vegetarischem Aufstrich
Zu Paradeisern und Tofu
Ich weiß was das ist tausende und abertausende Wesen auszurotten
Und Erleichterung zu füllen
Ruhe von gut ausgeführter Arbeit
Und ein kleines bisschen vorwürfe aber nur so dass man sagen kann
Ich weiß was das ist Mord
Ich weiß was das ist Genozid
Ich weiß was das ist Massenvernichtung
Ich weiß was das ist schlachten
Ich weiß was das ist Blut an den Händen zu haben
Blut unschuldiger Opfer
Blut unschuldiger Ameisen
Ich habe getötet
Ich habe das gemacht
Ich habe das gemacht
Engel gibt es
Seid beruhigt
Eure Seelen kehren zum Schöpfer zurück
Verschmelzen mit dem Universellen Bewusstsein
Im Namen meiner Küche
Die sauber sein muss
Im Namen des Ökosystems der Küche
Das unsere Gattung kontrolliert
Schon nach vielen und abervielen Generationen
Wird es notwendig sein unsere Menge zu reduzieren
Das ist Liebe nur Liebe
Kämpft nicht mit uns
Habt keine Angst
Bleibt ruhig
Friede und Liebe
Nehmt an Euer Schicksal
Alles was passieren soll passiert
Wir haben die Dinge unter Kontrolle
Herr Kanzel
Erschrecken Sie nicht
Das ist Blut aus Ihrem Munde
das sind Ihre Worte
Ihr Hals
Ihr Herz
Ihre Niere
Herr Kanzel
Erschrecken Sie nicht
Das sind Ihre Galgen
Der Wind der unter dem Fenster heult
bringt immer diese selbe Botschaft:
Die Beine des Erhängten
treten umsonst Luft
dort wo der Stolz
verlorene Hoffnung verheimlicht
bei Morgengrauen
zogen wir Messer heraus
und brachen in die Straßen auf
wir schlichen uns durch die Stadt heran
außer Reichweite der Kameras und Wachposten
wir kamen am Regierungssitz an
nach einer dreihundertjährigen Reise
unsere Messer waren frisch und hungrig
II.
Das Parlament
von Zorn umkreist
wurde ruhig ǀ verstummte
die Hände legten wir
noch einmal auf die Tastatur
und gaben den Befehl ein
teleskopische Knüttel durchschlugen die Luft
von unsichtbaren Decks stiegen Kommandos herab
Eiskammern öffneten sich
und entließen aus den Katakomben der Zeit
das Raubtier/ das Lamm
Ich tippte auf Ihr Gesicht Wohlgeboren
und das einzige was ich sah war ein Virus
der sich mit Lichtgeschwindigkeit verbreitete
direkt aus dem Schlund Ihrer schwarzen Seele
Schüsselchen begannen für einen Augenblick zu schaukeln
danach trat schon Unbeweglichkeit ein
solange die tibetanischen Gebetsmühlchen
nicht mit dem russischen Roulett verschmolzen
lang bis in die Nacht
saßen diese rätselhaften Männer über Karten
und zählten Tropfen des Zorns und des Verzeihens
Tropfen der Rache und Tropfen der Barmherzigkeit
andere schlachteten schon die Bürger
und brachten Töne heraus
ähnlich dem Erbrechen
Blut spritzte aus den Kehlen
und Fleisch brätelte
quer zum tertiären Sektor
der Moderator kommentierte Gefechte
mit von einer Schlinge
die ringsum
die Aufzeichnungen der öffentlichen
Hinrichtungen durchspielte zusammengeschnürter Kehle
die Abgeordneten hingen im Studio
ohne Rücksicht auf ihre Zugehörigkeit
zu Parlamentsklubs.
krá krá
klingelte das Telefon
der Bildschirm blinkte auf
Kinder spielten Schweineschlachten
Viehhändler (dobytčiaky) wogen sie ab (odvažať)
die letzten widerstandsfähigen Prominenzen (celebrity)
der Shopingparks erbebten
in Anläufen des Lumpengesindels
das jahrelang vom friedliebenden
Kapitalismus ausgehungert war
das Volk forderte Gerechtigkeit
der Bionahrungsmittel
und ein neues Memory
das erregende Theater des Geistes
spülte in die Gassen
Gesichter ungewöhnlicher Ausmaße
göttliche Proportionen der Perversität
das Mitleid die Liebe und die Gewalt
noch einmal zählten wir die Ausgaben zusammen
und danach beobachteten wir schon nur ruhig
wie irgendwer (ktosi) eine nichtsnutzige Fahne hisst
in diesem Augenblick beteten wir schon
eine andere Sonne an
die über euern Städten Anker wirft
für weitere dreihundert Jahre
gemeinsam mit dem Staub der Historie und der Lesebücher
der Cursor auf dem Bildschirm
blinkte ungeduldig
danach flog er hinauf
III.
a./
Herr, ich schaffe es nicht die Hypothek zu bezahlen
für dieses Telefon,
für dieses Blut,
für diese Niere,
für diese Worte,
für diese Galgen,
Herr, ich weiß wirklich nicht mehr,
womit ich bezahlen soll.
kommt, ich biete euch
eine Revolte auf Abzahlung.
b./
es reicht, wenn ihr diesen Fragebogen ausfüllt,
diesen ja
diesen ja
diesen ja
c./
schaut, einmal nannte man dies
engagierte Poesie
heute
Nachtrag zum Vertrag
die Galgen
erblühten
heute früh
in neuen Körpern.
Ein Politologe,
ein Klimatologe,
ein Historiker,
ein Gerichtsrat,
ein Schriftsteller,
ein Zwischenhändler,
ein Berater des Herrn Ministers.
in einer eindrucksvollen Reihe
strahlen sie
auf der Straße
wie auf einem Plakat.
einer neben dem anderen,
die, welche ihre Ehre,
ihre Tochter,
ihre Mutter,
ihr DNA,
die Fotografie ihres Geschlechts,
ihren Baum im Garten,
ihre nackten Absichten
nicht verkauften.
anstelle von ausge-
schlagenen Zähnen
Tastaturen
des Laptops.
II.
Ein Fachmann
fügt jetzt Worte
des Trostes
zusammen
die Verbliebenen
zählen
die Verluste
an Menschenleben
Investitionen
verschwendet
in Bordells und Docks
der Philosophie
der Poesie
und der Kunst
unnötiger Humanismus
in der Brunst
der Technologie
zweimal habe ich auf das Wort geklickt
beim dritten Mal verlosch der Bildschirm
an der Tür wurde geklingelt
ob ich wohl Angst habe
es waren Postmenschen
im Kopf erblühten ihnen gerade Erbsen
und das war das letzte Bild
an das ich mich erinner‘
danach nur noch stumpfer Schmerz
(Innenministerium)
III.
als Visionär herrsche ich
kraft anderer Medien
als das Volk herrscht und die bewaffneten Kräfte
hin und wieder sehe ich auf dem Grund des Bechers
Worte
die mir nicht gehören
vorsichtig buchstabiere ich sie
wie in der Lesefibel
anstelle des Rosenkranzes
nehme ich die Tastatur durch
aaaaaaaaaa
aaaaaaaa
aaaaaaaa
aaaaaaaaaa
aaaaaaaaaaaa
heute lacht ihr mich vielleicht aus
morgen früh jedoch zerstampfen Euch
schwere Stiefel das Lächeln
Galgen erblühen
mit Körpern des Monats Mai
es wird Kirchweih sein
es wird Weinlese sein
es wird Freude sein
in Mengen als seien sie einer
schreien sie einen eingeäscherten Namen
ein Name für 666
den du nicht in den Mund nimmst
sonst wie zum letzten Mal
die Hüfte aus der Körperachse herausgebrochen
die aufgeätzte Zunge
blutige Hornhaut in den Augen
sie kommen dich zu holen
sie geben dir keine Zeit
sie geben dir keinen Raum
sie geben dir nichts
einmal früh erblühen die Galgen
mit Körpern die nicht entfliehen konnten
Galgen Guillotinen Lager
warten
warte!
Es waren Postmenschen
und du bist einer von ihnen
Soviel Liebe
würde auch ein Pferd nicht ertragen.
Ich kam in das Königreich
um eure Tastaturen zu befreien
ich speiste |lud eure Laptops mit neuer Kraft
verfluchte (odklial) Mikrowellen
schützte die chemische Industrie.
Eure Antwort war Liebe.
Tagelang und unendliche Nächte
versorgtet ihr mich mit Liebe,
mit Liebe, an deren Namen ich mich heute
nicht erinnern kann.
Abends setzte ich mich an das Ufer des Teichs,
hörte die Frösche, die zur Paarung lockten.
Hinter meinem Rücken schlichen sich schon Schatten
neuer Abenteuer heran.
Bevor ich es schaffte eine Nachricht
ins ferne Weltall zu senden,
schmiegten sich neue Schönheiten an mich.
Auch ein Pferd ertrug nicht soviel Liebe.
Ich trank Wasser aus einer Quelle
alt wie die ersten Hypermärkte
in die Hand nahm ich Hamburger
die in Eiskammern für die künftige
Generationen konserviert waren,
ich zog mit dem Finger über den Himmel
und öffnete die Ordner wie Mohnkonserven.
Schon lange hatte ich den Glauben verloren,
dass die alten Zeiten wieder zurückkehren könnten.
In euren Häusern legtet ihr Sätze, die Jahrhunderte
lang niemand ausgesprochen hatte, in Regale.
Wenn ich sie in den Mund nahm,
bäumte sich die Zunge auf, schließlich
jedoch dekodierte sie die archaische language.
Ich sah Porno und Automobilrennen
in euren lächerlichen Augen.
Als ob euch irgendwer mit Kreide an die Wand malte,
solche Schutzlosen wurdet ihr gegenüber meiner Bosheit.
Blumen, die ich ans Denkmal lege
an diesem Tag, wenn wir uns an das hundertjährige
Jubiläum des Endes des Anfangs erinnern,
möge es niemals erblühen.
Ich sage euch: Ich vermag es nicht.
Zu viel Liebe für den Menschen des Jahres null.
Eure Pferde treten vielleicht ungeduldig vor dem Verkaufsstand mit frischem Blut
von einem Huf auf den anderen,
jedoch ich kann nicht.
Meine Finger auf die Tastatur gelegt,
befreien und heilen.
Jetzt ruht in Frieden.
Nach mir kommen andere,
die Mauern eurer Städte
werden die besten Gehirne
eures Königreichs schmücken.
Weil eure Liebs das ist,
womit bei uns die Gefangenen
des Gewissens gefüttert werden.
Ich wurde nicht deswegen Gott,
damit ich von euren Ansichten
gelenkt werde.
Ihr werdet hier sitzen,
schweigen
und töten.
Ich rate euch gut:
Verrichtet eure Arbeit
mit Aufmerksamkeit,
mit wachem Bewusstsein,
fröhlich,
höheren Interessen ergeben,
im Glauben an eine bessere Welt.
Beachtet die Losungen und Manifestationen nicht:
Schlagt tot
mit Demut, aber mutig,
ohne Zweifel,
möge euch Glaube und Hoffnung vorwärts treiben,
zu neuen Kriegen, Genoziden, Hungersnöten.
Fürchtet nicht Pest, Krankheiten, Tod, Fettleibigkeit,
Das alles sind nur Namen eurer Traurigkeit,
von der ich euch durch Gewalt,
Vertrauen und Liebe befreie.
So riecht Segen.
Das wussten eure Mächtigen,
das wisst auch ihr.
Nur der Tod errettet euch
von der Knechtschaft,
in die ich euch gebracht habe.
Jedoch nicht einmal der Tod hilft euch
mir mit freier
Stimme zu sagen:
Das ist das, was ihr niemals erkennt –
der Wille der Götter.
Und jetzt schweigt, setzt Euch hier
und erschlagt,
eure Tastaturen sind brennende
und warten auf Menschenblut.
Ich will viel davon,
mehr, um vieles mehr,
als eure Erde erträgt,
mehr, um vieles mehr,
als euer Himmel erträgt,
mehr, um vieles mehr,
als ihr mir heranbringen
und euer eigenes leugnen könnt.
Ich heiße Michal Habaj und will euch von meinem Tod erzählen.
I.
als ich ihn das erste Mal sah,
war dies ein sympathischer junger Mann.
er hatte dichte schwarze Haare,
einen Backenbart,
leuchtende Haut,
einen durchdringenden Blick kluger Augen.
nach der neuesten Mode mäßig gekleidet,
er verwies nicht eindrücklich
auf die Eleganz und die Raffinesse der damaligen Bourgeoisie
- dieses Wort wurde nicht zufällig gewählt.
seine Bibliothek
(war reich!)
umfasste viele
(kostbare!) Bände
- welche nicht in eine (Hand-!)
Bibliothek gehören,
ein ehrlicher und schicklicher
slowakischer Mann.
nur ein Jude
und Homosexueller!
Päderastie,
eine verkehrte Philosophie,
verkommene Kunst.
Angst und Schrecken!
II.
aber seine Tage waren gezählt.
mit der Ehefrau (auf den ersten Blick)
verdächtiger Herkunft,
Rasse, Religionsbekenntnisse,
(Ansichten, Launen, äußeren Ausehens)
(Inspirationen, Akquisitionen, Infiltrationen)
sie gingen Angeln und in die Natur,
häufig in die Sauna,
und trainierten Yoga
(keine noblen Absichten).
Abenteurer
und
Gotteslästerer
Bourgeoisiehuren.
III.
sie legten falsches
Sozialgefühl an den Tag,
halfen Menschen
guten Willens,
Menschen in Not,
Schwachen, Kranken,
Machtlosen,
denen, die
infolge von Wucher
(sic!)
ihre Wohnung verloren,
denen, die niemals
eine Wohnung hatten
(eine andere Generation,
siehe: Weltwirtschaftskrise,
usura – siehe Pound, Ezra!).
alle ihre Aktivitäten
waren auf Gewinn
berechnet
(des internationalen Kapitals,
des Geldes, des Alkohols,
des guten Rufs,
der gesellschaftlichen Stellung).
IV.
sie waren und sind unwürdig
unseres Mitleids,
unseres Vertrauens,
unserer Erbarmung
(christlicher Liebe!).
worum ging es ihnen?
um das Einführen
Armagedonas
in unsere Seelen
wohin strebten sie?
nach Amerika!
(nach Brüssel!).
warum ließen wir uns täuschen?
(Zutraulichkeit,
ein gutes Herz,
ein Taubentemperament).
wir sind erwacht.
V.
Als ich ihn zum letzten
Male sah,
hing er an der Espe
vor ihrem Haus.
die Kinder (ihre, zwei)
flogen vom Balkon
(wie Fleisch in Zeitungspapier
eingewickelt, so waren sie,
die Täubchen!).
seine geschätzte Frau
Gattin
lag auf der (prunkvollen)
Couch
nackt, blutig, entehrt
von den Schützern
der
traditionellen
Familie.
es war ein schöner Feiertag,
der Feiertag
der unschuldigen Kindlein!
jetzt endlich entsteht schon
der Frieden in unserem Staat.
die, die gestern auf uns herumtrampelten,
bitten umsonst
um Gnade
(Arroganz, Korruption,
Ungerechtigkeit!).
Gott gab uns die Waffen zurück,
die wir in der verlogenen
Demokratie verloren hatten.
uns betrügt man nicht mehr.
(lärmende Waggons,
wagons-lits, nach Treblinka).
Roma, erzittert!
wir werden eliminiert
wir bezeigten keine Kraft, keine Tüchtigkeit, keine Entschlossenheit
historisch haben wir enttäuscht
wir haben nicht gestohlen nicht totgeschlagen
keine Privatisierung
keine Bank Firma Finanzgruppe
haben wir geschafft zu erwerben
nicht geschafft Eigentum anzuhäufen
nicht geschafft Reichtum zu akkumulieren
wir haben nicht gestohlen nicht totgeschlagen
was soll mit solchen geschehen
für die Zukunft brauchen wir
Starke, Tüchtige, Entschlossene
solche wie dich
solche wie dich
solche brauchen wir nicht
wir werden eliminiert
lang in die Nacht
erforsche dein Gewissen
guter Mensch
solche wie dich
solche wie dich
solche brauchen wir nicht
wir werden eliminiert
wir werden eliminiert
wir werden eliminiert
Übersetzung©Stephan Teichgräber
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