Die Donau donnert und wälzt den Mond in ihren Fluten

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Die Donau donnert und wälzt den Mond in ihren Fluten

Beim Wieser-Verlag Klagenfurt ist verdienstvoller Weise eine Monographie über die Slowakei erschienen, die ich allen Österreichern wärmstens ans Herz legen würde, besonders der Ministerin, umso der Schulreform eine neue Richtung zu geben, weg von der Organisation und hin zu den Lehrinhalten. Das Buch wurde von einem Autorenkollektiv verfasst, offensichtlich unter der Koordination von Daniela Humajová, die aber nur bescheiden als Koübersetzerin angeführt wird. Darum ist die Einleitung auch nicht autorisiert, um den Schleier nicht zu lüften. Die einzelnen Beiträge zu Geschichte, Musik, Kunst, Literatur und Minderheiten wurden von bekannten Fachleuten geschrieben; jedoch stellen sich die Autoren auf einen Leser ein, der erstmals etwas von der Slowakei erfährt. Darum ist es auch ausgezeichnet als Lehrbuch geeignet und sollte österreichweit an den Schulen eingeführt werden. Dem entsprechend muss dann auch die Rezension ausfallen, sind die Fakten richtig präsentiert oder zu stark vereinfacht oder sogar falsch. Ebenso dienen die Illustrationen einem didaktischen Ziel, auch wenn ein Darstellung des Fürsten Svätopluks aus dem 9. Jahrhundert nur das Spektakel im öffentlichen Raum auf dem Pressburger Burghof fortsetzt.  

Das Buch ist in neun Kapitel unterteilt, es geht um Geschichte, Theater, Musik, Sprache, Literatur, Volkskultur, Bildende Kunst, Slowaken im Ausland und Film. Die Autoren sind in der Slowakei sehr renommiert, so Pavol  Žigo, der den Abschnitt über Sprache verfasst hat und Martin Šmatlák, der Theoretiker des slowakischen Films. Der Abschnitt über  Musik ist gerade für Österreich interessant, weil die Anregungen für die slowakische Musik und ihr Anschluss an die internationale Musikszene in den sechziger Jahren aber auch später gerade über Österreich erfolgten, weil Bratislava das musikalische Zentrum war und ist, wobei der österreichische Rundfunk eine große Rolle gespielt hat. Der Abschnitt über Musik gibt aber eine Übersicht von den allerersten Anfängen der Musik bis zur Gegenwart und vernachlässigt auch nicht die nichtslowakischen Einflüsse wie die Tätigkeit Beethovens, Liszts und auch Bartoks. In der Zeit der Klassik waren die importierten Anteile wesentlich größer als die einheimische Produktion in der Slowakei. Doch gab es einen neuungarischen Stil, der von Wallachen und Roma-Musikern beeinflusst war.

In der Frage der Eigennamen ist der Band inkonsequent und die Prinzipien ändern sich auch in den einzelnen Kapiteln, was wahrscheinlich auch auf die verschiedenen Autoren zurückzuführen ist, wobei offensichtlich ein Gesamtlektorat gefehlt hat. Bei den Eigennamen hätte entweder die westeuropäische Tradition verfolgt werden können, wo jeder Name in der Landessprache steht (z.B. Henri VIII, Louis XVI), oder die mitteleuropäische, wo Vornamen, also Taufnamen und Ortsnamen der Sprache des Textes angepasst werden (bzw. Karl IV, Stephan der Heilige) Im Text werden jedoch meist die slowakischen Namen, was dann sogar komische Effekte hat, wenn Erzherzog Albrecht

Darstellung des einfalls der Tartaren.  Kunstdenkmäler in der Slowakei. Im 14. und 15. Jahrhundert bestimmte in den Städten das eingewanderte deutsche Bürgertum die kommunale Politik, jedoch nur in Pressburg, in den Bergbaustädten und in der Zips. (Hier zeigt sich die Bedeutung der Eigennamen, denn es werden nur die slowakischen angeführt.) Hier wird angeführt, dass unter Ludwig I. (hier wird wieder der deutsche Name angeführt und nicht der ungarische Lajos Nagy.) die slowakischen Bürger in Sillein (Žilina/ Zsolna) durch ein Privilegium 1381 den deutschen Bürgern gleichgestellt wurden. (S. 16) Die Slowakei stand immer in dem Machtdreieck der ungarischen Könige, der polnischen Könige und der Habsburger.  Unter den Hussiten kam es dann zu einem Zurückdrängen des Einflusses der der deutschen Bürger. Erst Matthias Corvinus gelang es, die Hussiten 1467 entscheidend zu schlagen. Die Zielgerichtigkeit der osmanischen Expansion zeigt sich auch darin, dass sie in erster Linie auf die slowakischen Bergbaustädte ausgerichtet war, die ein wichtiger Bestandteil des Reichtums der Habsburger war. Ebenso gezielt gingen die Osmanen in der Eroberung strategisch gut ausgebauter Festungen vor, so konnten sie durch geschickte Verhandlungen für einige Jahrzehnte die Festung Neuhäusl (Nové Zamky/ Ersekújvár), „die modernste Befestigungsanlage ihrer Zeit in Europa“ (21) in ihren Besitz bringen. Nach der Reformation trat die ungarische Bevölkerung der Slowakei dem Calvinismus bei, während die Slowaken und die Deutschen, deren Schirmherr Georg (Juraj) Thurzo wurde, sich den Lutheranern anschlossen. Die Gegenreformation wurde vor allem von den Jesuiten vorangetrieben. Die Ungarn fanden in den Osmanen immer wieder Unterstützung gegen die Habsburger, so wurde zur Zeit Leopold I. durch ihre Unterstützung Emmerich (Imre) Thököly, der in Käsmark (Kežmarok) residierte, zum Gegenkönig gekrönt.  Ein Slowake, der auch in Österreich in Straßennamen verewigt wurde, war Andreas Hadik, ein Oberbefehlshaber unter Maria Theresia.

Durch die Flucht vor den Osmanen lebten Anfang des 18. Jahrhunderts mehr als die Hälfte des ungarischen Adels auf dem Gebiet der Slowakei. (26) Die erste Universität auf dem Boden der Slowakei wurde in Thyrnau (Trnava/Nagyszombat), dem Zentrum der Rekatholisierung, 1635 von den Jesuiten gegründet. (28) Durch die Reformation setzte sich in der Slowakei die Bibličtina, ein slowakisiertes Tschechisch, in den protestantischen Gemeinden als Gottesdienstsprache durch. Für die  slowakische Identität erlangtendie slowakischen Aufklärer eine besondere Bedeutung, unter denen Ján Holly, ein katholischer Geistlicher von besonderer Bedeutung war.  Unter ihnen entwickelte sich eine Neomythologisierung des slowakischen Volkes, die später von den Romantikern, den sogenannten Sturianern fortgeführt wurde, wobei die Burg Theben, Nitra als Ursprung des Großmährischen Reiches, aber auch die Tatra mit dem Berg Kriváň von besonderer Bedeutung waren.  Bei dem ostslowakischen Bauernaufstand 1831 wird nicht klar, inwiefern dies ein allein ein Aufstand der slowakischen Bauern oder ein gemeinsamer mit den ungarischen Bauern war. (33) Wenn von den politischen Machthabern die Rede ist, die den technischen Fortschritt eindämmen wollten, wird nicht konkretisiert, wer diese Machthaber waren. (34) Einer der ersten Konstrukteure des Elektromotors war Štefan Anian Jedlík (Ányos Jedlik), ein Gymnasiallehrer in Pressburg. Wie der „Magyarisierungsdruck“ konkret aussieht, können wir aus der Darstellung nicht erschließen, war doch der Anschluss an die ungarische Aufklärung durchaus eine Chance für die Slowakei, die nicht notwendigerweise die Entwicklung der slowakischen Sprache, Literatur, der Kultur insgesamt ausschloss, was schon daran zu sehen ist, dass der Aufschwung der slowakischen Romantik von Autoren getragen wurde, die an der ungarischen Kultur teilhatten, während die Stagnation der slowakischen Literatur in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Präponenten getragen wurden, die sich nur von der ungarischen Kultur abgrenzten.  Durch die Forderungen Ľudovit Šturs werden die Forderungen gegen die Magyarisierung etwas konkreter, er fordert den Gebrauch des Slowakischen an Schulen und niederen Ämtern, in Kirchen und vor Gericht. (36) Im Frühjahr 1848 schien es die Chance zu geben, dass die Nationen ihre Sprache frei entwickeln könnten. Doch die ungarischen Politiker der Revolution lehnten die Ambitionen der anderen Nationen ab. (37) Eine slowakische Petition forderte, dass ein eigenes slowakisches Schulsystem eingerichtet werden sollte, von den Schulen bis zu einer Universität und einem Polytechnikum. (37) Die Revolution 1848 wurde von den slowakischen Intellektuelen wie Janko Kraľ, Andrej Sladkovič und Karol Kuzmány durchaus begrüsst, doch wurden die nationalen Forderungen der anderen Nationen von den ungarischen Politikern nicht berücksichtigt. Nach der Niederschlagung der ungarischen Revolution wurde zwar Slowakisch in den niederen Ämtern und in den Schulen eingeführt, doch erreichte die Slowakei keine Autonomie innerhalb der Monarchie. Es wurden sogar die slowakischen Revolutionäre verfolgt und die Versprechungen Franz Josephs wurden nicht eingelöst. Die Wiener Regierung erlaubte jedoch drei slowakische Gymnasien, die Gründung des slowakischen Kulturvereins Matica slovenská, der für zwölf Jahre eine sehr fruchtbare Tätigkeit durchführen konnte und der sogar finanziell vom Kaiser unterstützt wurde. (38) Die Matica slovenská war sogar okumänisch ausgerichtet, so war ihr Vorsitzender ein katholischer Bischof und ihr Stellvertreter der  evangelische Superindentent Karol Kuzmány. Der letztere hatte ich übrigens um die Einrichtung der evangelischen Fakultät an der Universität Wien verdient gemacht. Obwohl 1868 ein Nationalitätengesetz nach dem Ausgleich vom ungarischen Landtag verabschiedet wurde, wurde dies niemals umgesetzt, sodass in der Folge viele Bürger slowakischer Herkunft magyarisiert wurde. (Wie dies jedoch umgesetzt wurde, wird nicht genau dargestellt.) (40) 

In dem Kapitel über Literatur bekommen wir einen umfassenden Überblick über die slowakisch geschriebene Literatur, wobei es nicht so sehr um das Territorium geht, obwohl auch die Literatur in anderen Sprachen, gerade die lateinisch geschrieben Schriftzeugnisse, berücksichtigt werden. Nach Auffassung der Autoren dieses Kapitels fand der „Prozeß der Herausbildung der slowakischen Nationalliteratur“ zur Zeit der Renaissance statt. In der Renaissance wurde in der Slowakei, die ein Teil Ungarns war, jedoch lateinisch geschrieben, sodass sich die verschiedenen Nationen (Slowaken, emmigrierte Tschechen, Ungarn und Deutsche) unter dem Dach der gemeinsamen lingua franca auch in der Literatur zusammenfanden. Andererseits gab es einige wenige Texte, die in einem slowakisierten Tschechisch verfasst waren und meist auf der slowakischen Oraltradition basierten. Auch in der Periodisierung sind die Autoren nicht kohärent, denn einerseits wird die Renaissancekultur am Hofe Matthias Corvinus, die außerhalb Italiens die erste in Europa war, erwähnt, auf dessen Initiative in Pressburg die Academia Istropolitana gegeründet wurde und wenig Seiten später ist davon die Rede, dass die Renaissance „auf dem Gebiet der Slowakei im Vergleich zum übrigen Europa mit deutlicher Verspätung Fuß fasste.“ Besonders interessant ist es, dass gerade der gegenwärtigen nach 1989 entstandenen Literatur etwas Raum gegeben wird. Gerade das Kapitel über die Literatur ist für den Österreicher ein großer Gewinn, da er darüber durch Schulbildung und Presse wenig informiert ist. 

Stephan Teichgräber

 

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