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Dokumentationsstelle für ost- und mitteleuropäische Literatur
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9. August
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1. Ausgabe
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Country: Austria
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In meinem Beitrag wollte ich eigentlich vor allem die Situation der katholischen Kirche vom Ende des zweiten Weltkrieges, also vom 9. Mai 1945 bis zum 17. Februar 1948 untersuchen. Doch da ich von der Herausgeberin gebeten wurde, denn Text des Vortrages für den Beitrag des Sammelbandes zu erweitern, werde ich den Zeitrahmen wesentlich erweitern. Da sich jedoch bei der Erstellung meines schriftlichen Beitrages die Möglichkeit ergeben hat, meinen mündlichen Vortrag wesentlich auszuweiten, möchte ich anhand der „Verborgenen Kirche“, die von ihren Vertretern auch als die „zweite Linie der Kirche“ bezeichnet wurde, auf den gesamten Abschnitt der Kirche im Sozialismus in der Tschechoslowakei und darüber hinaus die Entwicklung nach 1989 behandeln. Auf die protestantischen Kirchen, die vor und nach dem Zweiten Weltkrieg ungefähr eine Million ausmachte, kann ich in diesem Beitrag nur kurz eingehen. Dazu kommt die Hussitische tschechoslowakische Kirche, eine Abspaltung von der katholischen Kirche, die ungefähr 900 000 Mitglieder hatte. (Kaplan 1993, 5) Da ich auch auf die Situation in der Slowakei eingehen möchte, werde ich auch die griechisch-katholische Kirche einbeziehen, die in Tschechien wesentlich weniger Gemeindemitglieder hatte. Sie wurde nach dem zweiten Weltkrieg 1949 liquidiert, indem sie in die orthodoxe Kirche integriert wurde, wobei dieser Vorgang 1950 abgeschlossen war. (Kaplan 1993, 114) Im Prager Frühling wurde die griechisch-katholische Kirche wieder erlaubt, wobei dies für die Weihen im griechisch-katholischen Ritus in der Verborgenen Kirche sicherlich einen Einfluss hatte, ohne dass diese Priester stattlich anerkannt wurden. (Bohren 1996, 217) Der Liquidation der griechisch-katholischen Kirche (Kaplan 1993, 114) ging eine staatliche Kampagne voraus, in der behauptet wurde, dass sich die beiden katholischen Kirchen vereinigen wollten. Die Kirchenabteilung der nationalen Front forderte: „Je potřebí udělat vše, aby této rekatolizaci uniatů bylo zabráněno a vyvoláno v uniatském duchovenstvu hnutí pro návrat k pravoslaví.“ (ebd.) Ohne jetzt weiter ins Detail zu gehen, endete die Kampagne, die als Aktion P bezeichnet wurde, mit einem Manifest zum Übertritt zur orthodoxen Kirche am 28. April 1950, das 107 von 253 Priester unterschrieben, von 305 000 griechisch-katholischen Gemeindemitgliedern schlossen sich 200 000 der orthodoxen Kirche an, die beiden griechisch-katholischen Bischöfe wurden inhaftiert. (Kaplan 1993, 114ff.) Einer der beiden Bischöfe, Pavol Peter Gojdič[1], fand 1960 in der Haft den Tod und wurde von Johannes Paul II. 2001 seliggesprochen. Der zweite war der Weihbischof Vasiľ Hopko, der ebenso bald seliggesprochen werden soll.
Wir begehen mit unserem Beitrag eine Gratwanderung. Auf der einen Seite stehen die kirchlichen Würdenträger und Gemeinden, die opportunistisch mit dem Regime zusammengearbeitet haben. Auf der anderen Seite die Widerstandskämpfer, die das realsozialistische Regime abgelehnt haben, wobei wir nicht behaupten können, dass sie nicht daran gedacht hätten, dass der Marxismus aus christlichen Grundsätzen und Werten hervorging, denn ohne das Urchristentum ist ein utopischer Sozialismus undenkbar. Auch wenn es nicht bewusst wahrgenommen wurde, so stellte sich der Atheismus der realsozialistischen Tschechoslowakei mit der Propagierung der hussitischen Tradition immer wieder selbst in Frage.
Die Verfolgung der katholischen Kirche in Böhmen und Mähren setzte erst nach dem Februar 1948 ein, während die Entwicklung in der Slowakei wesentlich anders war, da dort die katholische Kirche bis 1945 Teil des Machtapparates war. Es ist natürlich die Frage, ob die Schulgesetze vor 1948 schon als Verfolgung anzusehen sind. Dabei ist interessant, dass sich nach Abschluss der Kampagne zur Durchsetzung des Atheismus 1950 (nach Miroslav Kunštát war die Kampagne damals noch nicht so ausgerichtet), die Anzahl der Personen ohne Glaubensbekenntnis – sie waren also konessionslos - nicht erhöht, sondern wesentlich verringert hatte. Waren es nach Kriegsende und nach der Aussiedlung der Deutschen 766 000 Bürger ohne Glaubensbekenntnis, so deklarierten sich 1950 489 000 als Atheisten. (Kaplan 1993, 5)
Die Bezeichnung Volksdemokratie ist nicht mit dem sozialistischen Gesellschaftssystem identisch, denn gleich nach dem Krieg baute die Regierung eine politisches System auf, das sie Volksdemokratie nannte. (Kaplan 1993, 11) Daher ist die kurze demokratische Phase von 1945 bis 1948 unter dieser Bezeichnung zu sehen und die weitere Verwendung nach dem Putsch 1948 ist eigentlich eine missbräuchliche.[2] Dies ist freilich noch nicht Allgemeinheit geworden und die Aneignung dieses Begriffes durch die sozialistischen Länder, die nach der Machtergreifung durch die Kommunistische Partei eigentlich bis auf Jugoslawien stalinistische Staaten waren, verdrängte sogar das Wissen, dass der Begriff älteren Datums ist. Die tschechische katholische Kirche identifizierte sich vollständig mit dieser Gesellschaftsordnung der Nachkriegszeit, wodurch sie die Vertreibung der Deutschen als eine notwendige Maßnahme akzeptierte, was im Vatikan - und nicht nur dort - etwas erstaunt aufgenommen wurde. In der Slowakei musste die Entwicklung etwas anders verlaufen, da die katholische Kirche die staatstragende Kraft der Slowakei als Satellit des nationalsozialistischen Deutschlands war. Dies wurde nicht nur von der tschechoslowakischen Exilregierung verurteilt, sondern auch von der tschechischen katholischen Kirche, sodass es innerhalb des Landes in der katholischen Kirche einen Gegensatz gab. Politisch hatte die tschechische katholische Kirche in der Volkspartei, eine der vier Parteien im Parlament, in der Regierung eine Vertretung, während die slowakische Kirche durch das Verbot der Slowakischen Volkspartei zuerst keine Vertretung hatte. In der Slowakei gab es ein bipolares Parteiensystem, die Kommunistische und die Demokratische Partei. Es dauerte jedoch nicht lange bis ganz richtig die slowakische Katholiken führende Funktionen in der Demokratischen Partei übernehmen konnte. (Kaplan 1993, 12f.) Jedoch waren in der Demokratischen Partei zu Anfang protestantische Geistliche an der Spitze, sodass das Eindringen des katholischen Klerus in die Partei noch genauer untersucht werden muss. (Bohren 1996, 211) Das April-Abkommen 1946 bezog sich laut Miroslav Kunštát auf alle Katholiken und nicht nur auf den Klerus.
Die kommunistische Partei setzte auf eine Nationalisierung der katholischen Kirche, wobei es unverständlich ist, worum sie nicht stärker auf die Hussitische Tschechoslowakische Kirche setzte, da diese ihre Abspaltung gerade aus der Nationalisierung der katholischen Kirche begründete. (Urban 1973; Daske 1987) Nach Miroslav Kunštát ist das jedoch nicht unverständlich, denn „die Kommunisten wussten sehr gut, dass sich die CČS (Církev Československá) so schnell in Richtung eines liberalen Christentums fortentwickelt, dass sie als solche für die meisten Katholiken nicht akzeptabel war. Da ging es nicht nur um die nationalen Motive bei der Gründung der CČS!“ (Anmerkungen MK)
Der erste Schritt zur unmittelbaren Konfrontation war der Hirtenbrief „Arcibiskupe, nemlč, nesmíš mlčet“ des Erzbischofs Josef Beran, der nach der Umbildung der Regierung am 26. Februar 1948 verlesen wurde. (s. Kaplan 1993) Die zwei Brennpunkte, an denen sich schon vor 1948 Konflikte mit der Regierung entzündeten, waren das Schulwesen und die Frage des Besitzes von Grund und Boden. In der Slowakei wurden die kirchlichen Schulen eine Woche nach Kriegsende verstaatlicht, während der Versuch, die konfessionellen Schulen in Böhmen und Mähren zu schließen, erst im September 1945 einsetzte. Das Episkopat wies 1947 die Regierung auf die Gefahr eines Kulturkampfes hin, was angesichts dessen, dass die katholische Kirche absolut (nach Miroslav Kunštát war diese Bejahung nur behutsam, vorbehaltlich und von taktischen Gründen getragen) die Nachkriegsordnung bejahte, besonders bedauerlich wäre. So wurde die Entscheidung erst nach der Machtübernahme der kommunistischen Partei gefällt und auch die tschechischen katholischen Schulen verstaatlicht, was unter dem Terminus „Einheitsschule“ stattfand. (Kaplan 1993, 13ff.) Die Enteignung der Klöster und der Kirche als solcher betraf die deutschen Einrichtungen nicht überall bzw. meistens nicht, da die Ordensgemeinschaften gemischt waren, aber schon im Juli 1947 wurde die Bodenreform von 1919 novelliert und im Jänner 1948 begannen die Bauernkommissionen das Land auch der Klöster an die kleineren Bauern zu verteilen. Im Herbst war noch ein weiteres Gesetz verabschiedet worden, das jeden Besitz über fünfzig Hektar betraf. Dadurch wurde der Kirche die wirtschaftliche Grundlage entzogen und Klement Gottvald, damals noch Ministerpräsident, schlug eine jährliche finanzielle Unterstützung vor, die die Ausfälle im vollen Ausmaße ersetzen sollte. Dies hätte aber eine vollständige staatliche Abhängigkeit bedeutet, wogegen sich die Kirche natürlich wehrte. (Kaplan 1993, 17)
Eine Maßnahme war die Bildung der „Katholischen Aktion“, die an die Nationalisierungsversuche der katholischen Kirche nach dem Ersten Weltkrieg anknüpfen sollte.[3] Dabei entsteht die Frage, ob die Bildung der Tschechoslowakischen Kirche, die Kirche hat das Adjektiv erst 1971 in ihren Namen aufgenommen betont Miroslav Kunštát, dabei der kommunistischen Partei ein Vorbild war und ihr in die Hände spielte, denn diese war eine Abspaltung von der katholischen Kirche aufgrund nationaler Bestrebungen. Aber die Tschechoslowakische Kirche wurde nicht von den kommunistischen Machthabern genutzt, denn sonst wäre die Bildung der „Katholischen Aktion“ gegenstandlos gewesen. Die kommunistische Partei versucht also einen Prozess zu wiederholen, der 1919 zur Bildung der der Tschechoslowakischen Kirche geführt hat, ohne diese einzubeziehen, wobei dieser aber scheiterte. Jedoch hat dieser Versuch einen Einfluss auf die Tschechoslowakische Volkspartei Partei, denn der dem Staat ergebene Josef Plojhar, der die Katholische Aktion ins Leben gerufen hatte, wurde der langjährige Vorsitzende dieser Partei, obgleich er aus der katholischen Kirche exkommuniziert worden war. Diese Partei bestand nach 1989 weiter fort, wie Miroslav Kunštát richtig bemerkt; doch ist dies ein großer zeitlicher Sprung und die KDU-ČSL hatte dann auch einen ganz anderen politischen Charakter. Im Unterschied zu den anderen christdemokratischen und christlich-sozialen Parteien war sie stärker links orientiert als ihre europäischen Schwesterparteien. (Bei Plojhar entsteht auch am Rande die Frage nach den Deutschen, in der Tschechoslowakei bleiben durften, waren sie leichter zu instrumentalisieren, doch wurde dies bei Plojhar nicht thematisiert.)
Die Zusammensetzung und die Rolle der Tschechoslowakischen Volkspartei ist dabei besonders interessant. Während die Führung von der kommunistischen Partei bestimmt wurde und von ihr abhängig war, war die Basis immer ein potentieller Unruheherd und gegen die Staatsmacht eingestellt. Das ist ein wichtiger Unterschied zu der CDU in der DDR, die immer ganz staatskonform war. Miroslav Kunštát ist hier etwas anderer Meinung. „Der Unterschied war nicht so groß, noch 1949/50 gab es in der Ost-CDU auch starke oppositionelle Kräfte. Die ČSL (Tschechoslowakische Volkspartei) war bereits früher (durch Plojhar, Petr u. Konsorten bereits im und unmittelbar nach dem Februar 1948) gleichgeschaltet.“ Später jedoch folgte daraus, dass eine Mitgliedschaft in der ČSL (Tschechoslowakische Volkspartei) keine Karriere ermöglichte.
Die ersten Proteste gegen das realsozialistische Regime auf der Wallfahrt nach Velehrad 1985 werden u. a. auch der Basis der KDS zugeschrieben, was jedoch als sicher gilt.[4]
Ich möchte im Folgenden genauer auf die Entwicklung der „Verborgenen Kirche“ in der Tschechoslowakei eingehen, wobei dies hauptsächlich die katholische Kirche betraf. Die Autoren Fiala und Hanuš betonen in ihrem Werk über die Koinótés, das verborgene Netzwerk des Bischofs Davidek, dass die Verborgene Kirche zur „Erosion der kommunistischen Macht beigetragen“ habe und auch „für die Zukunft der Katholischen Kirche in der Tschechischen Republik von Bedeutung ist.“ (Fiala/ Hanuš 2004, 14)
Die verborgene Kirche kompensierte nicht nur fehlende Betätigungsfelder und Funktion, sondern brachte neue Formen der religiösen Praxis hervor, wobei sie sich streng an die rituellen Regeln hielt.[5] Sie entwickelte auch eine eigene theologische Ausbildung, die eine bewundernswerte Breite besaß und auch für das heutige Theologiestudium anregend ist, denn es wurden auch Kybernetik, Kunstgeschichte und schöne Literatur in das Studium eingeschlossen. Aber es war nicht nur die Breite der verschiedenen Wissenschaften, die einbezogen wurden, sondern auch die Internationalität, denn die Studenten interessierten sich auch für die französische und belgische Theologie, da sie im Widerstand gegen den Nationalsozialismus eine besondere Bedeutung hatte. (Fiala/Hanuš 2004, 29)
Bischof Felix M. Davidek setzte nicht auf das staatliche Schulwesen, sondern forcierte eine geheime katholische Universität. (Fiala/Hanuš 2004, 30) (Fiala/Hanuš 2004, 30) Diese Aktivität, eine geheime Universität zu gründen, kann nicht hoch genug geschätzt werden, auch wenn diese nicht offiziell anerkannt wurde, gab sie doch vielen Priestern ein umfassendes Hochschulstudium. (Fiala/Hanuš 2004, 149) Er stellte Jesus Christus in den Zusammenhang mit allen Weltreligionen.
„Und da ist schließlich die Erscheinung Jesu Christi, des Gottmenschen, durch den Modernismus zum größten unter den Menschen neben Lao-tse, Buddha, Sokrates, Platon, Mohammed erniedrigt, aus dessen Mund selbst die zehn Gebote durch eine ganze Skala von Werten vervollständigt wurden, zu denen sonst kein Mensch gelangt ist.“ (Fiala/Hanuš 2004, 37)
Die Verborgene Kirche ist per definitionem auf die katholische Kirche beschränkt, jedoch in beiden Riten – römisch-katholisch und griechisch-katholisch, wobei sich die Bezeichnung nach Fiala und Hanuš auf alle Aktivitäten bezieht, die „sich ohne Wissen der staatlichen Behörden“ abgespielt haben. (Fiala/ Hanuš 2004, 17) Diese Bestimmung erfasst die Verborgene Kirche jedoch nur ungenau, da die staatlichen Organe über die Tätigkeit sehr gut unterrichtet waren und einige Untergrundpriester und Bischöfe aus Kalkül mit dem Geheimnisdienst zusammenarbeiteten, um die Verborgene Kirche zu schützen. Das Wesentliche ist eher, dass diese zweite Linie der Kirche nicht die staatlichen Einrichtungen um Erlaubnis bat, damit auch gegen bestimmte Regeln und Gesetze des Regimes verstieß und äußerst selten Verräter in ihren Reihen hatte. Diese Zusammenarbeit kann jedoch nicht als Verrat angesehen werden. Außerdem ermöglichte das verborgene Leben der Kirchen die Entfaltung des Ordenslebens, das in der sozialistischen Tschechoslowakei nach dem Machtantritt der Kommunistischen Partei als führende Kraft durch die Inhaftierung der Ordensmitglieder unterbunden wurde und bis 1989 verboten war, jedoch gab es durchaus Ausnahmen, wie Miroslav Kunštát anmerkt, und zwar in der Kurzen Periode 1968-70. Anstelle des Begriffes Verborgene Kirche wird auch die Bezeichnung „Ecclesia silentiae“ ins Spiel gebracht, wobei diese dem Großteil der Beteiligten nicht bekannt war.[6] (Fiala/Hanuš 2004, 19)
Felix M. Davidek stellt das Christentum schon 1945 bipolar dem Faschismus und dem Marxismus gegenüber, (Fiala/Hanuš 2004, 38) sodass für ihn die Verwandtschaft von Christentum und Sozialismus nicht galt, wodurch er der Zeit, der tschechischen Gesellschaft, aber auch tschechischen Kirche im gewissen Sinne voraus war, denn nach der Befreiung von der deutschen Okkupation und dem Nationalsozialismus gab es in der Gesellschaft eine allgemeine Affinität zur Kommunistischen Partei und noch keine offene Ablehnung von Seiten der Kirche zu ihr. In der slowakischen Kirche gab es nur im griechisch-katholischen Bischof Peter Pavel Gojdič einen klaren Gegner des Faschismus. Nach Miroslav Kunštát sollte nicht nur Gojdič hervorgehoben werden, denn auch die Aktivitäten um den Jesuiten Tomislav Kolakovič sollten berücksichtigt werden, wobei diese von Gojdič unterstützt wurden. (s. dazu Václav Vaško)
Aber auch in den Gefängnissen wurden Vorlesungen organisiert, die auf den Hofrundgängen abgehalten wurden, wobei das Wachpersonal nicht einschritt, da die Zuhörer sich zwar in der Nähe des Vortragenden befanden, aber trotzdem den gewohnten Rundgang vollzogen. (Fiala/Hanuš 2004, 49) Wichtig wäre es, die Bedeutung von Teilhard de Chardin für die Verborgene Kirche im Allgemeinen herauszuarbeiten, denn die Parusie und die eschatologischen Gedanken Chardins waren für die Koinótés von zentraler Bedeutung. (Fiala/Hanuš 2004, 67 u. 147) Felix M. Davídek sah die Koinótés als „Modell einer Ortskirche“, wobei unter dieser die katholische Kirche in der Tschechoslowakei zu verstehen ist, also in einem totalitären Regime. (Fiala/Hanuš 2004, 74 u. 147) Eine wichtige Inspirationsquelle war für Davídek das Zweite Vatikanische Konzil, dessen Ergebnisse er versuchte in die Praxis umzusetzen. (Fiala/Hanuš 2004, 147) Die Einbeziehung der griechisch-katholischen Kirche verfolgte Davidek und seine Amtsbrüder schon seit Anfang der sechziger Jahre, wobei zu dieser Zeit die griechisch-katholische Kirche noch verboten war und erst mit dem Prager Frühling wieder zugelassen wurde, sodass Koinótés unmittelbar zur Wiederbelebung der Unierten Kirche beitrug. (Fiala/Hanuš 2004, 80) Dies ist wahrscheinlich wichtiger als die Tatsache, dass auf diese Weise auch verheiratete Theologen zu Priestern geweiht werden konnten. Dadurch wurden aber die Geheimpriester auch geschützt, denn die Gefahr, dass sie verraten wurden, war auf ein Minimum herabgesetzt, was jedoch erst nach der Wiederzulassung der griechisch-katholischen Kirche funktionieren konnte. (Fiala/Hanuš 2004, 148) Die Weihe von verheirateten Männer wurde übrigens innerhalb der westlichen katholischen Kirche als eine der nächsten Reformen diskutiert. (ebd.) Ein zweiter zentraler Punkt, den Felix M. Davídek auf einer extra einberufenen Synode 1970 klären wollte, war die Weihe von Frauen. Doch daran scheiterte nicht nur die Synode, sondern diese Frage spaltete letzten Endes die Koinótés. (Fiala/Hanuš 2004, 79ff.) Davidek ging dabei von der Beschleunigung der Parusie nach Teilhard de Chardin aus und dass zu diesem Zeitpunkt 1970 die Zeit dafür gekommen sei, die Weihe von Frauen durchzuführen. (Fiala/Hanuš 2004, 95) Jedoch war sich Davidek nicht schlüssig, wie die Frauen nun ihr Amt ausführen könnten, was dann für die Frauen dazu führte, dass sie ihre Weihe nicht in die Praxis umsetzen konnten. (Fiala/Hanuš 2004, 96) (Fiala/Hanuš 2004, 95)
Interessant ist dabei, dass einer der zwei Punkte, die für die Herausbildung der Hussitischen Kirche entscheidend waren, die Aufhebung des Zölibats und die Einführung der Nationalsprache in den Gottesdienst, sodass sich daraus eine Parallele zur Verborgenen Kirche ergibt. (Urban 1973, 25) Diese Punkte wurden schon 1919 formuliert, auch wenn es zur Gründung bei der Generalversammlung in Smíchov erst 1920 kam. Die Weihe von Frauen wurde dagegen 1947 – Miroslav Kunštát spricht hier von einer „revolutionären“ Geste -eingeführt (http://www.ccsh.cz/view.php?id=17), was jedoch Jahrzehnte vor den Frauenordinationen der Verborgenen Kirche lag. Etwas später als die Hussitische Kirche genehmigte die Slowakische Evangelische Kirche A.B. die Ordination von Frauen und ab 1970 konnten sie Gemeinden leiten, was wesentlich früher war als in der lutherischen Kirche Österreichs. (Bohren 1996, 217)
Es stellt sich die Frage, welche Bedeutung die Gemeinschaft der Koinótés im Rahmen der gesamten Untergrundaktivitäten der katholischen Kirche in der Tschechoslowakei hatte. (Fiala/Hanuš 2004, 149) Bei Fiala und Hanuš gibt es eine Auflistung dieser Untergrundaktivitäten in sieben Punkten.
Wichtig waren für das Funktionieren der Koinótés ihre ausländischen Kontakte, auf die Davídek großen Wert legte und die bis zu der Spaltung der Gemeinschaft von dem Geheimbischof Jiří Pojer gepflegt wurden. Danach ersetzte diese Funktion Dušan Špiner, der einen engen Kontakt zur polnischen katholischen Kirche, auch zu Kardinal Wyszyński, herstellte. (Fiala/Hanuš 2004, 120)
Bei der Kritik an Davídeks Praxis, verheirate Priester in den griechisch-katholischen Ritus zu überführen und Frauen zu Priestern zu weihen, nehmen Fiala und Hanuš eine sehr differenzierte Position ein, dass er zwar aus heutiger Sicht diese nach der Weisung des Vatikans hätte einstellen müssen, doch dass die Kommunikation mit dem Vatikan nicht klar und eindeutig war; der Papst äußerte sich schriftlich niemals ablehnend über Davídek und dieser sah in der Kurie und dem Kreis um Kardinal Casaroli, der für die Außenbeziehungen mit der Kirche in den realsozialistischen Ländern zuständig war, nicht unbedingt die Interessen Johannes Pauls II. vertreten. (Fiala/Hanuš 2004, 130)
Die Geheimbischöfe wurden teilweise im Ausland geweiht, wobei diese nach 1989 kaum Schwierigkeiten mit der Anerkennung ihrer Ordination hatten, wobei hier besonders der Dresdner Bischof Gerhard Schaffran zu erwähnen ist (Fiala/Hanuš 2004, 135) und das Erfurter Priesterseminar, wo tschechische Geheimpriester ausgebildet wurden. In Erfurt wurde Tomáš Halík 1978 von Bischof Hugo Aufderbeck zum Priester geweiht.
Diese drei Worte „Kirche im Sozialismus“ wurden in Deutschland zu einer Losung, die eine neue Orientierung in der Evangelischen Kirche darstellte und sich mit der Teilung der EKD (Evangelischen Kirchen Deutschlands) abfand und die staatliche Ordnung der DDR nicht mehr ablehnte und bekämpfte. Die Situation für die Kirchen in der Tschechoslowakei war grundsätzlich anders als in der DDR, und die Akzeptanz der Staatsmacht wurde kaum als Opportunismus gesehen und schon gar nicht als Kollaboration bezeichnet, aber das lag auch daran, dass es keine grundsätzliche Repression durch den Staat gab, auch wenn es in den fünfziger Jahren in der DDR einen „Kirchenkampf“ gab. Diese Akzeptanz hat es in der Tschechoslowakei bei der sogenannten ersten Linie der Kirche gegeben und ihre Vertreter fanden sich in der „Mírové hnutí katolického duchovenstva“ [Friedensbewegung der katholischen Geistlichkeit] (MHKD) und später in „Pacem in terris“ (PiT) wieder. Trotz oder gerade wegen dieser Kollaboration waren viele Bischofssitze unbesetzt, denn der Staat verweigerte die Einsetzung von romtreuen Diözesanbischöfen, während der Vatikan keine regimefreundlichen Vertreter an ihre Stelle setzen wollte. (Bohren 1996, 218; Fiala/Hanuš 2004, 151)
Ich habe nicht den Begriff Kommunismus für diese irdische Staatsmacht benutzen, da sich auch die Funktionäre nicht im Kommunismus wähnten. Zum anderen, weil der Ausdruck „Kirche im Kommunismus“ nur von westlicher Seite verwendet wurde und wird, eigentlich ein Ausdruck des Kalten Krieges ist, und ein Aussöhnen der Kirche mit linken Parteien (seien es sozialdemokratische, sozialistische oder kommunistische) wie es unter Bruno Kreisky passiert ist, niemals mit Kommunismus in Zusammenhang gebracht wird. Ich verwende den Begriff Kommunismus eher so wie die utopischen Sozialisten, sodass die Kirche in ihrer ganzen Weltlichkeit im Kommunismus eher ein Sakrileg wäre.
In der letzten Zeit ist in der Slowakei die Person Ján Vojtaššák wieder stark in den Mittelpunkt gerückt, um sie neu zu werten und damit stärker zu würdigen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass er in der nächsten Zeit seliggesprochen werden soll. Jedoch wurde der Beatifikationsprozess laut Miroslav Kunštát 2003 aus den folgenden Gründen ausgesetzt. Vojtaššák ist bis heute eine widerspruchsvolle Persönlichkeit, denn einerseits spielte er eine große Rolle in der Erziehung und Bildung des slowakischen Klerus, andererseits ist seine Haltung zur Deportation der jüdischen Bevölkerung sehr umstritten, außerdem nahm er im slowakischen Staat eine hohe politische Funktion wahr, in der er in der einen Version die Deportation unterstützte und in der anderen sie milderte. Ján Vojtaššák wurde gleich nach dem Krieg kurz für fünf Monate inhaftiert. Nach den Wahlen 1946, bei denen die Kommunistische Partei in der Slowakei eine klare Niederlage erlitt, sie erhielt 30,37%, während die Demokratische Partei auf 62% der Stimmen kam, wurde von Gottwald hauptsächlich Vojtaššák, aber auch die anderen slowakischen katholischen Geistlichen dafür verantwortlich gemacht. (Kaplan 1993, 20) Nach Bohren waren jedoch in der Demokratischen Partei protestantische Geistliche tonangebend, was die Behauptung Gottwalds unsinnig erscheinen ließe. (Bohren 1996, 211) Schon 1947 bemühte sich die tschechoslowakische Regierung beim Vatikan um die Dispensierung Ján Vojtaššeks. (Kaplan 1993, 21) Nach Bohren sah die evangelische Kirche die Maßnahmen gegen die katholische Kirche als Vergeltung für „die Kollaborateure mit Hitler-Deutschland“ an, jedoch wird von Bohren nicht konkretisiert, ob er einzelne Personen wie Jozef Tiso, Ján Vojtaššek u. a. oder die slowakische katholische Kirche als Ganzes meint. (Bohren 1996, 211) Dies sei nach Miroslav Kunštát sicher nicht der Fall gewesen, wobei hier auch die Studien von Ján Pešek von der SAV zu berücksichtigen sind.
Nach dem Verbot der Slowakischen Volkspartei verlor der katholische Klerus für kurze Zeit an politischem Einfluss, doch bald besetzten sie einflussreiche Funktionen in der Demokratischen Partei. Wenn also Bohren von einer Verhaftungswelle von Mitgliedern der Demokratischen Partei am 11. Juni 1947 berichtet, wissen wir jedoch nicht, ob es nur evangelische Mitglieder betraf, wie es in dem Artikel den Anschein hat, sondern auch katholische. (Bohren 1996, 211f.) Diese Verhaftungswelle bezeichnet Bohren als „Generalprobe für den Staatsstreich vom Februar 1948 in Pra (Bohren 1996, 212), die nach Miroslav Kunštát auch gelegentlich als „kleiner Pressburger Februar“ bezeichnet wurde. Durch das unterschiedliche Vorgehen der politischen Machthaber gegenüber den verschiedenen Konfessionen der Kirche – die griechisch-katholische Kirche wurde vollkommen liquidiert, gegen die katholische Kirche ging der Staat, wie Bohren sagt, mit offener Gewalt vor, während „die Minderheitskirchen mit einer raffinierten Mischung von Einschüchterung und verlockenden Versprechungen“ behandelt wurden – versuchte das Regime die Kirche zu spalten. Zog doch die orthodoxe Kirche einen großen Vorteil daraus, dass die Gemeindemitglieder der griechisch-orthodoxen Kirche gezwungen wurden, zu ihr zu konvertieren, was jedoch nur zum Teil gelang. Die reformierte Kirche wurde erst 1949staatlich anerkannt, während sie zwischen 1918 und 1939 nur inoffiziell existierte. (Bohren 1996, 212) Dabei sollte man laut Miroslav Kunštát berücksichtigen, dass sie zu 90% aus ungarischsprachigen Gläubigen besteht, dass also in der ersten tschechoslowakischen Republik diese Konfession nicht anerkannt wurde. Ebenso wie die katholische Kirche lehnte die evangelische Kirche die finanzielle Sicherstellung durch den Staat ab. Dies geschah in dem Pystianer Manifest („Piešťanský manifest“), das nicht die Kirchenleitung selbst verfasste, sondern, so Miroslav Kunštát, der SEVAK, d.h. der Verein der evangelischen Geistlichen in der Slowakei, am 29. September 1949, da dadurch der Staat eine völlige Kontrolle über die Kirche erhalten hätte. (Bohren 1996, 213) Das Manifest endet mit der Schlussfolgerung, dass durch einen solchen Eingriff „zahlreiche illegale und fanatische Sekten begünstigt“ würden. (ebd.)
Ein Punkt, den wir bisher kaum berücksichtigt haben, ist der Religionsunterricht, wobei dies gerade für die Erfahrung der Kirche im Sozialismus wichtig ist, da die Erfahrung diesen außerhalb der staatlichen Institutionen, also nicht in Schule durchzuführen, für das Gemeindeleben ein Gewinn war, der nach 1989 aufgegeben. Dieser Meinung bin ich trotz der Einwände Miroslav Kunštáts, denn die Gemeinde isoliert sich nicht durch die Christenlehre von der Welt, sondern kann eher missionarisch in diese hineinwirken. Ab 1950 wurde der Religionsunterricht an den Mittelschulen in der Slowakei verboten und zwei Jahre später als Pflichtfach in allen Schulen abgeschafft. (Bohren 1996, 214) Durch den Prager Frühling kam es zu „gewissen Errungenschaften in der Kinder- und Jugendarbeit“, auf die Bohren aber nicht genauer eingeht. (Bohren 1996, 217)
In den fünfziger Jahren wurden fünfunddreißig Pfarrer verhaftet, wobei einer der ersten der Generalbischof Pavel Uhorskai war. (ebd.) Bischof P.V. Čobrda wurde verhaftet und vor Gericht gestellt, aber auch der zweite Bischof F. Ruppelt musste zurücktreten. Beide Bischöfe wurden durch zwei willfährige Bischöfe ersetzt. (ebd.) Die lutherischen Pfarrer wurden nicht nur verhaftet und gefoltert, sondern auch beschuldigt, mit westlichen Geheimdiensten zusammenzuarbeiten oder selbst Geheimbünde zu gründen. (ebd.) Einer dieser Pfarrer war Jozef Juraš, der im slowakischen Staat im Widerstand tätig war, aber später im Sozialismus in Haft dazu gezwungen wurde, die alleinige Verantwortung für einen solchen konstruierten und imaginären Kreis zu übernehmen und daraufhin für dreizehn Jahre inhaftiert wurde. Im Prager Frühling kam er durch eine Generalamnestie frei, aber mit dem Beginn der Normalisierung wurde die Rehabilitation aufgehoben und drei Jahre später wurde ihm die Pfarrlizenz entzogen. (Bohren 1996, 215)
Im Jahre 1955 wurde der „Ökumenische Rat der Kirchen in der Tschechoslowakischen Republik“ (ERC) gegründet, wobei bei Bohren nicht klar wird, von wem dieser Rat gegründet wurde, denn erst nach seiner Gründung traten ihm „alle Kirchen und Religionsgemeinschaften“ bei bis auf die katholische Kirche, wobei die griechisch-katholische schon nicht mehr beitreten konnte. (s. ebd.) Dies wäre nach Miroslav Kunštát kaum (auch wenn sie damals legal wirken könnte) ohne Einvernehmen mit der römisch-katholischen Schwesterkirche möglich gewesen. Auch heute besitzen sie in dem ERC nur den Beobachterstatus
In der zweisprachigen Calvinistischen Kirchenzeitung „Kalvínske hlasy“ [Calviner Stimmen] – „Kalvinista Szemle“ [Calvinistische Rundschau] wird von einer aktiveren „Gleichschaltung“ gesprochen. (ebd. Fußnote 11)[8] Die „Christliche Friedenskonferenz“, deren Gründungsmitglieder die lutherischen und die reformierten Kirche waren, wobei hier auch die Katholische Kirche teilnahm, war keine staatstreue, opportunistische Angelegenheit und entstand 1958. Von der Friedensbewegung der katholischen Geistlichen „Pacem in terris“ kann dies dagegen nicht gesagt werden und darum wurde eine Teilnahme vom Vatikan direkt untersagt. Diese klare Differenzierung verdankte ich Miroslav Kunštát.
Im Jahre 1962 kam es zu einer Verhaftungswelle von evangelischen Geistlichen, wobei dies auch eine Redaktionsgruppe, die die lutherischen Bekenntnisschriften herausgab, betraf; unter ihnen war der Übersetzer Otto Vizner und zwei an der Redaktion beteiligten, der ehemalige Bischof V.P. Čobrda und der amtierende Bischof J. Struharik, dabei lag die Fertigstellung der Übersetzung schon elf Jahre zurück, aber sie sollten erst dreißig Jahre später erscheinen. Bei der Wiedereinstellung Vizners 1968 zeigt sich die staatskonforme Haltung der Kirchenleitung, denn sie lehnte es ab, ihn in den Gemeindedienst zu integrieren und „stufte sein Interesse am Leben der Kirche als subversiv ein.“ (Bohren 1996, 216) Eine Haltung, die ohne ins Detail zu gehen, unverständlich bleibt, wollte er die kirchlichen Strukturen unterminieren oder wurde er als Informant, als Spitzel verdächtigt. In der Zeit des realen Sozialismus waren siebenundvierzig lutherische Pfarrer inhaftiert und einige hundert erhielten keine Lizenz, ihren Beruf auszuüben. (Bohren 1996, 217)
Während des Prager Frühlings lösten die slowakischen lutherischen Pfarrer den staatshörigen USEK (Ústredie ev. a. v. kňazov) auf, doch kam es dann nicht mehr zur Gründung einer unabhängigen Vereinigung Evangelischer Geistlicher (ebd.), was bei dem Vorhandensein kirchlicher Strukturen (Superintendenturen, Synode) auch entbehrlich ist.
Kurz nach der Niederschlagung des Prager Frühlings beschwerte sich die Gruppe „Verfolgter evangelischer Pfarrer“ bei dem slowakischen Kulturminister Miroslav Valek, wobei vier als deren Sprecher auftraten - Julius Cibulka, Pavel Uhorskai, Otto Vizner und Jozef Juraš – dass sie weiterhin in der Kirche diskriminiert würden. Die SEKAB (Slowakische Evangelische Kirche Augsburgischen Bekenntnisses) fand sich zu einem Gespräch mit den genannten bereit, doch erklärte der Generalrat fast zwei Jahre später, dass „Bruder Uhorskai ein Pfarrer außer Dienst“ sei und sich damit abgefunden habe. (Bohren 1996, 217f.) Die SEKAB wählte 1970 Ján Michalko zum Generalbischof auf Lebenszeit, doch blieb er dies nur bis 1990. (Bohren 1996, 218) Seinem Wirken wurde jedoch zugeschrieben, dass die Lutherische Kirche zur Zeit der Normalisierung bei weitem weniger verfolgt wurde als die Katholische Kirche. (ebd.)
In einem internen Bericht des slowakischen Amtes für kirchliche Angelegenheiten wird 1987 davon gesprochen, dass sich die Gläubigen der reformierten Kirche, aber auch die Geistlichen, in nationale Widersprüche verwickelten, wobei es sich ungarische Positionen gehandelt hat. (ebd.) Diese Vorgänge sind als CSEMADOK-Affäre bekannt und wurden auch von der Charta 77 behandelt.
Die slowakischen Lutheraner und die Calvinisten treten 1984 erneut dem ökumenischen Rat des Landes bei, wobei es hier offenbar eine gewisse Unterbrechung der Mitgliedschaft seit 1955 gegeben hat. Nach der Föderalisierung der ČSSR nach dem Prager Frühling war der ökumenische Rat nur noch auf dem Territorium des tschechischen Teiles tätig,[9] sodass später ein ökumenischer Rat der Slowakei gegründet wurde, in den die beiden Konfessionen 1984 eintraten. Die positive Haltung zum Kommunistischen Umsturz 1948, die von dem Sprecher des Synodalrates Reformierten Christlichen Kirche noch 1988 bei der Jubiläumsfeier geäußert wird, ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass die Reformierte Kirche in der ersten tschechoslowakischen Republik nicht anerkannt war und diese Anerkennung erst 1949 von staatlicher Seite erhielt. (Bohren 1996, 220f.)
Innerhalb der SEKAB wurde im Dezember 1989 ein Koordinierungsausschuss der „Öffentlichkeit gegen Gewalt“ konstituiert, um die Demokratisierung in der Lutherischen Kirche voranzutreiben. Ob dies bisher gelungen ist, wäre die Aufgabe eines weiteren Beitrages. Es wurde 1994 der später äußerst umstrittene Bischof Július Filo gewählt. (Bohren 1996, 222) Beide protestantischen Kirchen waren zum Zeitpunkt der Samtenen Revolution schon sehr überaltert was die Pfarrer betrifft, so dass jetzt eine Lücke klafft zu den noch 1989 ausgebildeten Theologen. Der Nachfolger von Július Filo, Miloš Klátik, gehört zu dieser neuen Generation der jetzt schon Fünfzigjährigen, wobei natürlich die Frage entsteht, inwieweit die Erfahrungen im Glauben zur Zeit des Sozialismus heute in Erinnerung und wirksam sind.
Nach meiner Meinung muss die Frage nach den verschiedenen Loyalitäts- und Illoyalitäts Schattierungen und Abstufungen mit der sozialistischen Staatsmacht neu gestellt werden, denn so wie sie in den letzten fünfundzwanzig Jahren behandelt wurde, ist sie vielleicht nicht mehr haltbar. So wäre es sehr interessant, sich unter diesem neuen Blickwinkel sich mit dem Theologen der Böhmischen Brüder Josef L. Hromadka zu beschäftigen, der in den dreißiger Jahren die Bekennende Kirche in Deutschland unterstützte und nach dem Krieg bis zur Niederschlagung des Prager Frühlings ein Befürworter des sozialistischen Staates war. Protestantischen Geistlichen wurden von der Staatmacht sogar Orden verliehen, so dem reformierten Bischof Imre Varga 1965 der Orden der Arbeit für sein Engagement in der Friedensbewegung (Bohren 1996, 216) oder auch Josef Hromadka der Leninorden in der Sowjetunion. Dieser wurde jedoch nicht von der tschechoslowakischen, sondern von der sowjetischen Regierung erteilt; es handelte sich um die höchsten Abzeichen für die nichtsowjetischen Bürger, so Miroslav Kunštat.
Andererseits stellt sich die Frage, ob sich nicht gerade die Kollaborateure in der katholischen Kirche durchgesetzt und die Widerstandskämpfer in den Hintergrund gedrängt haben, was auf eine eigenartige Politik des Vatikans zurückzuführen isuf Casaroli bin ich in dem Artikel bisher nicht eingegangen, was jedoch Miroslav Kunštát nicht gut heißt. Im Rahmen der Objektivität sollte hier z.B. auch Kardinal Agostino Casaroli u. seine Memoiren zu Wort kommen, wo er die damalige vatikanischen Ostpolitik erklärt bzw. (natürlich) verteidigt.
Jedoch ist auch das Verhältnis der einzelnen Kirchen mit den neuen Machthabern zu hinterfragen, denn wie ist in der Slowakei heute das gute Verhältnis zur Partei Smer zu erklären, die in keiner Weise als christliche Partei zu verstehen ist, woraus wieder ein diffiziles Problem für die KDH in der Slowakei. Miroslav Kunštát führt dies auf eine spezielle Eigenart der KDH zurück, die sich als geschlossene, katholische und ultrakonservative Partei erwiesen habe.
In einer Monographie über die Hussitische Kirche, die 1987 im Westen erschienen ist, lesen wir: „Politisch ist sie [die tschechoslowakische Hussitische Kirche] nicht indifferent oder gar abstinent, sondern bekennt sich zu einer klassenlosen Gesellschaft, deren Berechtigung sie aus der Bibel, besonders der Ethik Jesu, ableitet.“ (Daske 1987, 1f.) „Nach seiner Erfahrung [des Autors] blieb die Kirche in diesem Wechsel [Novotný-Ära – Prager Frühling – Normalisierung] sich und ihrer Lehre treu, ohne dabei der jeweiligen Staatsführung die Loyalität zu versagen.“ (Daske 1987, 4) Kann dies nun aber als Kollaboration bezeichnet werden? Das wäre natürlich allzu einfach, beantwortet Miroslav Kunštát die Frage und er ergänzt: „Auch das nach der Wende kritisierte, von Professorin Anežka Ebertová verfasste Programmdokument der CČSH ‚Zaklady sociálně-etické orientace CČSH‘ (angenommen 1981) wird heute in neuen Kontexten gelesen. (Schon damals wurde die Globalisierung und Umweltproblematik mit Nachdruck als die wichtigsten Herausforderungen der Gegenwart bezeichnet.)
Für die katholische Kirche änderte sich die Situation in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre grundlegend. Es begann mit den Protesten bei der Wahlfahrt zur Ehren Cyrillius und Methodius in Velehrad, setzte sich mit der Unterschriftensammlung für Religionsfreiheit fort, die Verkündigung des Jahrzehntes der geistlichen Erneuerung durch Kardinal František Tomášek (Fiala/ Hanuš 2004, 144) und schließlich die Kerzendemonstration 1988 in Bratislava, die eigentlich der erste sichtbare Vorbote der Samtenen Revolution in der Slowakei wa Miroslav Kunštát verweist hier auf Beata Blehová.
Nach dem Ende des realen Sozialismus wurden in der Tschechoslowakei die Bischofssitze wieder besetzt und die Orden konnten wieder ungehindert arbeiten und wurden zu wichtigen Bestandteilen der katholischen Kirche des Landes bzw. der beiden neuen Länder. Der Übergang aus dem Sozialismus war für die Verborgene Kirche wesentlich schwieriger, weil zum einen die einzelnen Gruppen verschiedene Haltungen einnahmen, so wollte die einen sich sofort in die Pastorale eingliedern, während ein Teil die verborgenen Aktivitäten teilweise beibehalten wollte und die dritte Position, die überhaupt nicht in die hergebrachte Form der Pastorale zurückkehren wollte (Fiala/Hanuš 2004, 153), zum anderen weil ein Großteil der geheimen Weihen im Inland vom Vatikan nicht anerkannt wurde. Dieser Vorgang ist nicht unverständlich und zeigt nur, dass die erste und die zweite Linie der katholischen Kirche sich nicht gegenseitig ergänzte, sondern dass die erste die zweite nicht in ihre Reihen aufnehmen wollte, da dadurch ihre Haltung im Sozialismus moralisch in Frage gestellt worden wär Miroslav Kunštát sieht das als grobe Vereinfachung der Materie an, doch gerade Kardinal Vlk zeigt, dass er diese beiden Linien nicht zusammenführen konnte, auch wenn er das entscheidende Wort innehatte.
Zu Anfang, in der ersten Hälfte des Jahres 1990, wurden Geheimpriester als Pfarrer eingestellt, wobei dies auch Priester betraf, die im Inland geweiht worden waren und auch einige, die verheiratet waren. (Fiala/Hanuš 2004, 154) Jedoch stockte der Prozess und kam bald ganz zum Erliegen. Die Versuche einzelner Bischöfe wie Jan Blaha und Stanislav Krátký, beim Papst vorzusprechen, endete im besten Fall beim Präfekten der Glaubenskongregation Kardinal Joseph Ratzinger, der bis zu einer Lösung zum Schweigen aufrief. (Fiala/Hanuš 2004, 15 Bei diesem Schweigen – dies sei ein zu starkes Wort, da das Problem in Zeitabständen diskutiert wird so in der Zeitschrift Gethsemane - blieb es dann bis heute, wobei heute ein Großteil der Geheimpriester und Bischöfe der Verborgenen Kirche nicht mehr am Leben sind. (Die Richtigstellung verdankte ich Miroslav Kunštát.)
Durch die nicht vollzogene Integration der Verborgenen Kirche brachte sich die tschechische katholische Kirche um eine Chance, die Kirche grundlegend zu erneuern. Doch wurden die Erfahrungen der Untergrundkirche gerade durch die Ernennung Miloslavs Vlk zum Kardinal durchaus eingebracht, was sich auch in dem Konflikt um die katholische theologische Fakultät der Karlsuniversität zeigte, die Theologen der Untergrundkirche den Unterricht verweigerte, wo Kardinal Vlk die Absetzung des Dekans durchsetzte. Durch die Entwicklung der katholischen Kirche nach der Samtenen Revolution wird ihr Charakter einer grundlegenden gesellschaftlichen Erneuerung sehr in Frage gestellt, was jedoch auch in anderen Bereichen des Dissens betrifft, wie das Schicksal von Alexander Dubček und Karel Kosík (Die Verbindung mit dem außerkirchlichen Dissens sollte ich nicht herstellen, so mein Berater.)
Literatur:
Stanislav Balík/ Jiří Hanuš: Katolická církev v Československu 1945-1989. Brno 2007
Michal Barnovský, Na ceste k monopolu moci. Mocenskopolitické zápasy na Slovensku v rokoch 1945-48 (1993)
Rudolf Bohren: Der Protestantismus in der Slowakei in der Ära des Kommunismus.// Karl Schwarz/ Peter Švorc: Die Reformation und ihr Wirkungsgeschichte in der Slowakei. Wien 1996 Paginierung innerhalb des Sammelbandes fehlt
Ulrich Daske: Die Tschechoslowakische Hussitische Kirche. Frf. /M. -Bern- New York-Paris 1987
Jan Mikrut: Die katholische Kirche in Mitteleuropa nach 1945 bis zur Gegenwart. Wien 2006 //Ivan Chalupecky: Die griechisch-katholische Kirche in der Tschechoslowakei nach 1945.
Petr Fiala/Jiří Hanuš: Die verborgene Kirche. Felix M. Davídek und die Gemeinschaft Koinótés. Paderborn-München-Wien-Zürich 2004
Július Filo ml.: Horizonty obnovy cirkvi. Liptovský Mikuláš 2001
Bohumil Jiří Frei, Staat und Kirche in der Tschechoslowakei vom Februarumsturz 1948 bis zum Prager Frühling 1968
F. Gansrigler, Jeder war ein Papst: Geheimkirchen in Osteuropa. Salzburg 1991
Tomáš Halík, Ptal jsem se cest. Praha 1997
Jiří Hanuš, Malý slovník osobností českého katolicismu 20. století s antologií textů. Brno 2005
Josef Lukl Hormádka, Theologie a církev. Praha 1949
Karel Kaplan, Stát a církev v Československu v letech 1948-1953. Brno / Karel Kaplan . - 1. vyd. . - Praha [u.a.] : Doplněk , 1993 . (Studie, materiály, dokumenty / Ústav pro Soudobé Dějiny ; 3 )
Alois Křištan [Hrsg.], Kirche und Gesellschaft : Internationales Symposium 24. - 26. April 1998 an der Südböhmischen Universität Budweis ; Dokumentation Würzburg 1999 (Studien der Theologischen Fakultät der Südböhmischen Universität ; 10 )
Zdeněk Kučera, Hoře a milost. K kořenům teologie církve radikálního modernismu Praha 2002
Liška, Ondřej, Jede Zeit ist Gottes Zeit : die Untergrund-Kirche in der Tschechoslowakei ; 1948 – 1989. Leipzig 2003
František Mikloško, Nebudete ich môcť rozvratiť. Z osudov katolickej církví na Slovensku rokoch 1943-89. Bratislava 1991
Viliam Mitošinka, Pamäti kňaza 1948-1966. Bratislava 1992
Pavel Uhorskai, Von Gott will ich nicht lassen (= Ako to bolo in dt. Übers.) G2W – Verlag Zollikon 1994
Rudolf Urban, Die tschechoslowakische hussitische Kirche. Marburg/Lahn 1973
Miloslav Vlk, Die Kirche auf dem Weg zum „Jahr der Wunder“. // Donauraum Jg. 49, № 3-4 (2009)
[1] Es ist hier auch wichtig anzumerken, dass Gojdič einer der slowakischen Bischöfe war, die sich während des slowakischen Staates gegen den Holocaust ausgesprochen haben. Dabei möchte ich jedoch besonders Gojdič besonders hervorheben, da er sowohl seine Pfarrer als auch die Klöster dazu aufforderte, jüdische Staatsbürger zu schützen, also zu verstecken und selbst Juden taufte, um sie vor der Deportation zu bewahren, obwohl er noch nicht wusste, dass die Deportierten auch physisch vernichtet wurden. Dabei wurde er gegen den Widerstand des slowakischen Staates vom Vatikan als Bischof von Prešov eingesetzt und forderte zugleich vom Vatikan, dass Jozef Tiso, der Staatspräsident, seines geistlichen Standes enthoben würde. Wie ich im Text schon gesagt habe, gehe ich dabei nicht auf jedes Detail ein. Wie mir dankenswerten Weise Miroslav Kunštat geschrieben hat, sollten hier auf jeden Fall E. Nižňanský, I. Chalupecký und Ivan Kamenec einbezogen werden.
[2] Ungarn bezeichnete sich schon 1918 nach der Abdankung des Königs als Volksdemokratie (népköztársaság).
[3] Dies ist eigentlich eine missbräuchliche Weiterverwendung eines Namens, denn die Katholische Aktion ist eine Bewegung die Geistliche und Laien zusammenführt und in Italien ihren Ursprung hat. Durch Pius VI. wurde Anfang der 20-iger Jahre institutionalisiert und begann sich dann weltweit auszubreiten. So gab es die Katholische Aktion auch in der Tschechoslowakei, doch wurde sie 1949 gewaltsam durch die Kommunistische Partei und die Staatsorgane zerschlagen und enteignet, wobei daran die sogenannten patriotischen Bischöfe beteiligt waren, die dann eine Organisation gleichen Namens gründeten.
[4] Nach Gansrigl soll die Idee „die Wallfahrt zur Belebung des kirchlichen Lebens in der Tschechoslowakei zu nützen“ (eine sehr äsopische Ausdrucksweise) von Felix M. Davídek stammen. (Gansrigl 1991, 128) Jedoch gilt Gansrigl, wie mir Miroslav Kunštát schrieb nicht als zuverlässige Quelle und man solle sich auf andere Autoren berufen. Hier möchte ich noch eine Anmerkung von Miroslav Kunštát anfügen. Dieser Protest ist insbesondere den starken südmährischen Organisationen der ČSL zuzuschreiben. Eine größere Rolle spielten laut Miroslav Kunštát „jedenfalls mehrere katholische informelle Vereinigungen und Untergrundstrukturen, es handelte sich um einen Akkordeffekt.“
[5] Hier brauchten wir wohl konkrete Beispiele von Fiala/Hanuš, worin die neuen Formen der religiösen Praxis bestanden.
[6] Wie Miroslav Kunštát anmerkt, wurde dieser Terminus auch in breiteren Konnotationen verwendet.
[7] Tomáš Halík, der zu der Gruppe um Václav Dvořák in Budweis gehörte, schreibt, dass sie sich wegen der Weihe von verheirateten Brüdern von Davideks Koinótés trennten. (Halík 1997, 105)
[8] Dieser Ausdruck, der von Viktor Klemperer als Ausdruck der Technisierung der Lingua Tertia Imperii bezeichnet wurde, kann auf die Übersetzung zurückzuführen sein, denn Bohren führt nur diese ohne Angabe der ÜbersetzerIn an, wobei in den slowakischen und ungarischen Originaltexten gesehen werden müsste, welche Lexeme dort verwendet wurden.
[9] In der Genehmigung des Ökumenischen Rates der Tschechischen Republik durch das Kulturministerium am 15. Dezember lesen wir unter §7 „Vzhledem k tomu, že církve s působností na území Slovenské socialistické republiky uzavřely obdobné ekumenické společenství, hodlá se ERC scházet s Ekumenickou radou církví v SSR, aby byla posouzena celková koncepce a metoda ekumenické spolupráce na celém území ČSSR.“ (http://spcp.prf.cuni.cz/dokument/erc.htm)
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