Fliegende Pappelwolle

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Marius Kopsay

Fliegende Pappelwolle

Frau Bohatá putzte ihr Auto blank, ihren grünen Trabanten. Wenn sie in ihn einsteigt und den zitternden Kupplungshebel fest ergreift, wenn sie nach verzweifeltem Rütteln kühn den ersten Gang einschaltet, fängt der Motor an zu knattern und zu heulen und der Trabant bewegt sich mit einem Sprung vorwärts, wenn er die ganze Straße in eine Wolke blauen stechend riechenden Rauchs einhüllt, bemächtigt sie das beruhigende Gefühl des Sieges und der Niederlage zugleich. Sie hat im Kampf über sich selbst gesiegt und im Kampf mit dem Leben verloren. (Die Reihenfolge der Siegesstufen könnte also dementsprechend aussehen – Leben, Frau Bohatá, Frau Bohatá.)

Sie muss ihrem dicken Sohn mit der Laufnase noch die Hosen stramm ziehen (d’ Wadln vier richten). Sie hatte schon alle Medikamente der Welt gegen sein Schniefen ausprobiert, sie hatten ihm orange und gelbe Injektionen gespritzt, ihn zur Kur geschickt, sie hatten alles ausprobiert, aber umsonst. Wenn der Mai kommt, beginnt er zu niesen und an den Mai muss man schon im April denken. Frau Bohatá schrieb ihrem Sohn eine Entschuldigung, wie sie selbst immer sagte, eine Entlastung, und setzte ihn auf den Rücksitz des Trabants.

„Dass ich nur auf die richtige Autobahn komme,“ sagte sie, als sie auf das Gewirr von Auffahrten und Abfahrten, die auf die Straße führten, wo keine Geschwindigkeitsbegrenzung gilt. Gezogen von der geraden Straße ohne Hinterhalt oder Risiko drückte sie das Gaspedal auf den Boden und der Trabant begann mit Hundert in Richtung Brünn zu sausen.

„Das ist eine Geschwindigkeit,“ sagte das Söhnchen. Mit einem anderen Auto als einem Trabanten war er bisher nicht gefahren. Aber die Expressautobusse fuhren auf ebener Straße auch hundertzwanzig, so hatte er die Geschwindigkeit schon genossen, das ja. Im Záhorie flimmerten die Föhren, die auf den Sanddünen wuchsen.

„Dieser Sand ist so unfruchtbar,“ jammerte einmal bei den Bohatýs der senile Nachbar Krabica. „Etwas ließe sich mit ihm machen. Man müsste unter das ganze Záhorie eine riesige Folie legen, die das Wasser aufnimmt. Der Sand würde feucht, fruchtbar werden und es würde aus ihm Torf werden.“

Der Sohn Frau Bohatás dachte an den Vorschlag von Herrn Krabica. Er wird in der Schule versuchen zu fragen, ob das nicht ein Blödsinn ist. Der Trabant von Frau Bohatá war schon in Mähren und bald waren die Brünner Plattenbauten zu sehen.

„Ich bin gespannt, was auf den großen Kreuzungen in Brünn los ist,” sagte Frau Bohatá besorgt. „Ich kenne mich da überhaupt nicht aus. Und dann kann ich noch schwer den ersten Gang einschalten und der Rückwärtsgang geht überhaupt nicht. Ich werde das Jarda sagen, dass er sich das anschauen soll.“

„Den Rückwärtsgang brauchst du doch auf der Autobahn nicht,” witzelte der Sohn.

„Auf der Autobahn nicht, aber wie parke ich ohne ihn ein?“ sagte Frau Bohatá ernst. „Und wo parken wir eigentlich?“

Der Trabant war wirklich in den Vororten Brünns etwas verwirrt. Der Sohn von Frau Bohatá wusste, dass durch Brünn zwei Flüsse fließen, die Zwittau und die Schwarzau. Zwar zwei, aber keine war so markant, ja international wie - sagen wir - die Donau. Sie fuhren über die Schwarzau, fuhren unter den Eisenbahnüberführungen durch, bogen dann fälschlicherweise nach rechts, anstatt nach links ab. Frau Bohatá verwirrte, dass auf den Brünner Kreuzungen die Grün haben, die geradeaus fahren und das in beiden Richtungen, aber auch die, die nach links abbiegen – die müssen ein bisschen warten, den entgegenkommenden die Vorfahrt lassen und dann können sie schon fahren. Und der Sohn Frau Bohatás bemerkte, dass die Ampeln in Brünn groß, ja größer als in Pressburg waren.

Schließlich ließen sie den grünen Zweitakterrappen auf irgendeinem Parkplatz und gingen zu Onkel Jarda, der mit seiner Frau Markéta in einem alten Haus mit Pawlatschen wohnte. Seine Frau hatte einen Schlaganfall gehabt, so hatten sie etwas zum reden, trotzdem sie sich viele Jahre nicht gesehen hatten. Frau Markéta zeigte ihnen den Gummiring, mit dem sie die linke Hand trainierte.

„Fahrt lieber mit der Straßenbahn und lasst das Auto hier,” rieten die Einheimischen. „Ihr seid sofort dort und ohne Schwierigkeiten.”

Die Straßenbahn brachte sie auf einen Berg vor ein hässliches graues Spital, in dem Dozent Fiedler ordinierte. Das Wartezimmer war voller Leute aus ganz Tschechien und der Slowakei, auf den Parkplätzen hatten sie ihre Škodas abgestellt, manche rauchten auf dem Hof. Frau Bohatá war kommunikativ und begann ein Gespräch mit einem Ehepaar aus Rosenau, die ihr erklärten, was zu machen sei und wie. Zuerst muss man zum Eintrittsgespräch, dann die Untersuchung, später legt der Dozent die Behandlung fest.

„Dreispaltiger Nerv,“ sagte bedeutungsvoll eine wartende Frau. „Als mich das vor dem Fernsehen erwischt hat, bin ich vor Schmerzen fast die Wand hinaufgeklettert.“

„Letztes Mal war hier eine Frau mit einem Mädchen, dass schon groß war und immer noch einpischte,“ sagte ein wartendes Mütterchen „Der Dozent tat eine Nadel dorthin, eine andere dort, und es hörte auf.“

Die Frau aus Rosenau hatte Atemprobleme und eine Allergie.

„Das ist wie bei dir, was sagst du,“ wandte sich Frau Bohatá an ihren Sohn, den Angst überfiel.

„Er auch, wenn der Mai kommt, wenn die Pappelwolle anfängt zu fliegen, beginnt er zu niesen und niest bis Juli, seine Augen sind dann entzündet und er schnappt nach Luft. Er hat solche Erstickungsanfälle, das wir ihn ins Kramáre bringen mussten, damit sie ihm eine Infusion geben. Vielleicht kann er da raus wachsen, aber ich weiß nicht, ob er erwachsen wird, ich kann mir das gar nicht vorstellen,“ sagte Frau Bohatá weiter.

„Das ist nicht so schlimm, einen Anfall hatte ich einmal, als ich sechs war,“ korrigierte sie der Sohn, aber Mama schaute ihn böse an:

„Dass du mich nicht in der Ordination so ausbesserst!“

Sie wurden hineingerufen, der Dozent schaute den Burschen an und fragte, wie es ihm geht.

„Gut,“ brummte der Bursche.

„Jetzt gut, aber dann schlecht,“ sagte Frau Bohatá. „Es ist nämlich April, aber wenn der Mai kommt, beginnt er zu niesen und hört bis Juli nicht auf.“

„Also Heuschnupfen?“ fragt der Dozent.

„Ja, seitdem er sechs ist. Aber seine Allergie ist nicht so sehr eine Heuallergie, sondern wenn diese Pappelwolle fliegt, reicht es, wenn er nur an so einem Baum vorbeigeht und sofort hat er rote Augen, niest, hustet und endet mit Anfällen,“ sagte weiter Frau Bohatá.

„Wie heilt man das?“ fragte der Dozent und nannte eine Vakzine.

„Er nimmt diese Injektionen jeden Winter und in der Zeit, wenn die Pappelwolle fliegt, nimmt er Tabletten, aber wissen sie, er kann sich nach den Tabletten nicht konzentrieren, ist krank, Ende des Jahres wird er immer aus der Schule aussortiert. Außerdem fährt er zu diesen Kuren,“ beschrieb Frau Bohatá das Unglück ihres Lebens.

„Gut, dann probieren wir es,“ sagte der Dozent. „Kommen sie morgen früh um halb neun.“

Sie gingen hinaus, kurz darauf wurden sie auch von dem Ehepaar aus Rosenau eingeholt.

„Sie müssen mich zur Beobachtung im Spital behalten,“ verkündete die Frau.

„Wir haben damit nicht einmal gerechnet, meine Frau hat ihre Sachen nicht mit...“ sagte ruhig ihr Mann. „Wir fahren in die Stadt und nehmen sie im Auto mit.“

Der Sohn von Frau Bohatá bekam Schüttelfrost, denn er hatte die gleiche Diagnose.

„Glaubst du, dass sie auch mich im Spital lassen?“ fragte er seine Mami voller Angst in der Stimme, wobei er sich vor den fremden Leuten für seine Angst schämte.

„Das weiß ich nicht,“ sagte Frau Bohatá zu ihm.

„Aber trotzdem, ich will nicht...“ stammelte ihr Sohn.

„Bricht denn die Welt zusammen, wenn du im Spital bleibst? Das wäre doch nur für ein paar Tage, wegen der Untersuchungen,“ antwortete Frau Bohatá. „Die Menschen müssen manchmal ins Spital. Manche sind dort laufend.“

Sie stiegen aus dem Auto des Rosenauer Ehepaars. Sie gingen die Straße entlang, Frau Bohatá war ein bisschen nervös, ihr Sohn war blass und verzweifelt, er sah sein weißes Gesicht, über dem ein gewöhnliche Manchesterschirmmütze thronte, in den Auslagen. Frau Bohatá hatte wieder einen eleganten scheckigen Pelzmantel und ein solches Pärchen konnte der Aufmerksamkeit eines Straßenfotografen, der ihnen seine Dienste aufdrängte, nicht entgehen. Er nahm das Geld, schrieb sich die Adresse auf, das Farbfoto mit der emanzipierten Dame und dem depressiven Bürschlein wird er ihnen schicken. Es begann zu regnen, sie gingen in eine Konditorei (trinke den Saft nicht so kalt, behalte ihn ein bisschen im Mund, bevor du ihn runterschluckst. Frau Bohatá bat Jarda, dass er sich das Getriebe anschaut, der erste Gang geht nur schwer, der Rückwärtsgang fast überhaupt nicht.

„Den Rückwärtsgang brauchst du nicht,“ witzelte der Onkel beim Blick auf den grünen Trabanten und seine bescheidenen Eingeweide, die eher an einen großen Ventilator erinnerten, als an den Motor eines Autos.

„Und das Rohr da, ist das nicht falsch?“ fragte Frau Bohatá und zeigte auf einen Gummischlauch, der aus dem Motor hervorschaute. Das Leben von Frau Bohatá war gerade genauso ungeordnet wie dieser Motor. Das ratlose Stehen über der offenen Kühlerhaube rief in ihr ein Gefühl der Verzweiflung hervor, aus dem jedoch zugleich eine Füllung, eine Genugtuung und moralische Überlegenheit entstand. Sie ist allein und erzieht ein Kind, können von ihr die Leute denken und sagen. Stellen Sie sich vor, sie erzieht ein Kind. Und sie hat ihm ein Auto gekauft, damit es gefahren werden kann, stellen Sie sich vor, ein Auto, heutzutage, und wenn es kaputt geht, muss sie es allein reparieren. Und wie das Auto raucht, wenn Frau Bohatá Gas gibt. Und ihr Sohn ist dabei schwer krank, wenn der Mai kommt, fängt er an zu niesen, aber sie hat für ihn einen Arzt in Brünn gefunden, stellen sie sich vor, erst in Brünn, sie muss mit ihm in dieses Brünn flitzen, mit diesem Auto, mit diesem Gummirohr.

Am anderen Tag gingen sie schön zur Zeit aus dem Haus, damit sie genau halb neun im Spital sind. Bei dem Sohn Frau Bohatás war die Spitalsphobie vorbei. Er bemerkte auf der gepflasterten Straße einen schönen gefärbten Vogel mir grauem Kopf, mit schwarzen Wangen und Hals, rotbraunen Flügeln und mit weißem Bauch. Er hatte ihn auch zu Hause gesehen, vor der Selbstbedienung, als er von der Musikstunde zurückkam, er hatte ihn fasziniert fast eine Stunde lang angeschaut und ihn danach im Atlas gesucht, doch konnte er den Namen seiner Entdeckung nicht bestimmen. Er fragte also Mama, ob sie weiß, was das für ein Vogel ist.

„Ein Spatz, doch,“ sagte Frau Bohatá.

Im Krankenhaus warteten sie wieder, obwohl die nicht funktionierende Wanduhr schon geräuschlos halb neun geschlagen hatte. Der Sohn las an der Pinwand, worin das Prinzip der Akupunktur besteht. Ganz entsetzt erfuhr er, dass seinen Körper Nervenbahnen durchziehen, es kam ihm ohnehin seltsam vor, dass sie niemand unter der Haut sieht und die richtige Stelle mit der Nadel trifft. Dozent Fiedler hatte das angeblich in China oder Korea studiert. Die Flugblätter am Wandbrett betonten, dass Akupunktur nicht weh tut, die eingestochene Nadel fühlt man nicht. Angeblich hatte sie irgendein asiatischer Bauer entdeckt, den Kopfschmerzen quälten. Bei der Arbeit auf dem Feld verletzte er sich mit der Hacke, und obwohl das angeschnittene Bein blutete, fing er an sich zu freuen – er bemerkte nämlich, dass sein Kopf aufhörte zu schmerzen.

Endlich öffnete sich die Tür und der Sohn Frau Bohatás wurde gerufen. Er musste allein gehen, denn in der Behandlung sitzen mit ihm lauter Burschen und der Dozent wird mit ihnen allen viel Arbeit haben. Ein Patient hat kein Bein, ein anderer muss sich nackt ausziehen und der Sohn von Frau Bohatá sieht mit stillem Entsetzen auf seinen großen Penis und die schweren Eier, der Kerl kommt ihm wie eine andere Tierart vor. Abseits sitzt ein Typ, der den Rücken voller Glasbecher hat – der Sohn von Frau Bohatá erinnert sich, dass er etwas ähnliches in einem deprimierenden russischen Film gesehen hatte, zu diesen Filmen ging er jeden Mittwoch im Rahmen des Schulhorts. Die Becher nannten sich „banki“ und im Film heilte man irgendein Mädchen von hohem Fieber. „Davaj banki, Katja.”

Der Dozent kommt, Jugend hat Vorrang, er stellt schon ein Tablett mit Nadeln vor den Burschen. Sie sind größer, als der Sohn Frau Bohatás gedacht hatte, und die erste kommt genau zwischen die Augen. Die andere unter die Nase, die anderen zwei auch. Die Nadeln stechen ihn, das hatten sie in den Flugblättern vergessen zu erwähnen, doch es stimmt, dass sie nach dem einstechen nicht zu spüren sind. Dozent Fiedler sieht, wo diese Bahnen in ihm laufen. Den Brustkorb sticht man ihm voller Nadeln, der Patient ist ein bisschen ungeduldig, das Stechen beginnt für ihn unangenehm zu werden. Noch zwei Nadeln in die Hand. Dann sagt er dem Burschen, dass er sich vorbeugen soll, und bringt ihm Glasbecher und eine brennende Grubenlampe. Der russische Film wird Wirklichkeit, der Dozent nimmt schon den ersten Glaskolben in die Hand, erwärmt ihn über der Grubenlampe, ihre Flamme saugt die Luft auf und er legt ihn dem Sohn von Frau Bohatá auf den Rücken. Die Haut wird unter dem Glaskolben aufgeblasen, der Unterdruck modelliert sie zu unglaublich aussehenden Beulen, in einem Augenblick streuen sie ihm soviel Becher auf den Rücken, wie dort bei ihm Platz ist, als ob sie sie von einer Hochzeitstafel heruntergesammelt hätten. So sitzt er hier wie ein Marsmensch, wie ein Roboter, aus dem Gesicht, aus der Nase, den Wangen, den Augen, den Händen und der Brust ragen Nadeln, auf dem Rücken sind wiederum Becher angeklebt, er fühlt sich, als hätte man auf ihn eine Kredenz gestellt. Stumpf schaut er, als der Primar dem Beinlosen Nadeln in den Stummel sticht, dann leitet er mit irgendeinem Instrument elektrischen Strom ein. Die Schwester kommt und nimmt sich den nackten Mann vor. Der Bursche ist etwas verblüfft, dass sich der Mann vor der Schwester nicht schämt, denn ein Mann soll sich doch vor einer Frau nicht nackt zeigen und umgekehrt, eine Frau vor einem Mann. Der ältere Mann legt sich auf den Bauch und die Schwester, übrigens auch nicht die jüngste, reibt ihm mit irgendetwas den Rücken und den Hintern ein.

„Das ist der Podex, ein Prachtstück, gell,“ und klappst ihn, was dem Burschen unerhört vorkommt.

Als der Dozent alles Gerät von dem Knaben abgesammelt hat, sagt er ihm, dass er mit der Mama eine Weile warten solle. Der Bursche geht hinaus und ist ganz vor den Kopf gestoßen, kurz darauf ruft sie der Dozent ins Arbeitszimmer.

„Wissen Sie, bei Heuschnupfen muss die Linderung nach der Akupunktur nicht so einschneidend sein, wie, sagen wir, bei Nervenkrankheiten, dort ist die Wirkung unverzüglich,“ sagt der Dozent. „Am besten ist es mehrere Methoden zu kombinieren. Man muss das Heilverfahren beibehalten, also der Bursche muss auch weiterhin Injektionen und Medizin bekommen und während der kritischen Zeit zur Kur fahren. Neben all dem probieren wir auch Akupunktur, doch vielleicht... vielleicht wächst er mit der Zeit heraus.“

„Woher denn!,“ schüttelte Frau Bohatá den Kopf.

Nach diesem Gespräch gab ihnen der Dozent einen weiteren Termin für den sechzehnten April, also in zehn Tagen.

Frau Bohatá seufzt, dass die Tortour mit dem niesenden Sohn nicht ein für alle mal aufgehört hat, auch Jardo hat ihr nicht besonders mit diesem Auto geholfen, das Gaspedal zittert und man kommt mit ihm schwer vom Fleck, die Fahrt mit einem Trabant ist aufreibend. Sie verabschieden sich von den Verwandten und begeben sich auf die Rückreise, die Wälder im Zahorie benetzt ein Frühlingsgewitter, Frau Bohatá fährt lieber langsam, auch wenn sie das Hockeyspiel verpasst, bei dem die Sowjetunion die Tschechoslowakei elf zu null besiegt.

Einige regelmäßige Besuche Brünns kommen dem Sohn Frau Bohatás jedoch einmal zu nutzen. Auf der Pionierversammlung werden sie einen heimatkundlichen Wettbewerb haben, sie werden in drei Mannschaften eingeteilt und jede bekommt eine Stadt, über die sie eine ausführliche Erörterung vorbereiten müssen. Die erste Mannschaft bekommt Pressburg, die Mitschüler jubeln, die Aufgabe ist leicht, Freude hat auch die dritte Mannschaft, die Prag bekommt. Der mittleren fällt Brünn zu, worüber niemand etwas weiß. Pionier Bohatý wird jedoch mit seinem Wissen brillieren und der zweiten Mannschaft eine triumphalen und unerwarteten Sieg sichern.

Als sich auf der Hlaváč-Straße sich der blaue stechende Rauch des Trabanten senkt, der aus Brünn herbeigebraust kam, kehrt alles in die alten Gleise zurück. Frau Bohatá geht zur Arbeit und ihr Sohn geht zur Schule. Beim Sport ist er der Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und auch ein bisschen des Sportes – die Glaskolben haben nämlich auf seinem Rücken große dunkelbraune Kreise hinterlassen, die durch das weiße T-Shirt schimmern.

„Da hast du was? Was hast du da?“ fragen ihn die Mitschüler aus. Das sieht auch Marienka Smetanová, die er liebt. Was soll er machen? Er muss zur Akupunktur gehen und er muss zum Sport gehen, er muss sich ausziehen und sie müssen ihn alle mit Kreisen verziert sehen, wie irgendein exotisches Tier – einschließlich Marienka. Er vergisst in der Schule den gelben Pullover und kommt nur in Hemd und Windjacke nach Hause. Er merkt es erst zu Hause, als ihn Mama zur Musikstunde schickt.

„Was ist los mit dir, bist du verliebt, oder was?“ tadelt Frau Bohatá den Sohn. Der Sohn geht versunken über die Wiese in der Neubausiedlung, auf ihr wächst hohes Gras, durch das Trampelpfade führen. Der Bursche kennt jeden von ihnen, er könnte eine Landkarte von dieser Wiese bis ins kleinste Detail zeichnen. Aber er wird das niemals machen müssen. Er denkt an den sechzehnten April, wenn sie diese unangenehme Sache mit den Nadeln im Gesicht und den Glaskolben auf dem Rücken wiederholen müssen. Er fühlt eine gewisse Erleichterung, dass dieses Datum noch weit vor ihm liegt, noch ist es zu früh daran zu denken, er ahnt dennoch und zweifellos richtig – dass es kommt.

„In Zukunft werden wir besser mit dem Zug fahren,“ sagt Frau Bohatá. Es quält sie die kaputte Kupplung, das nicht ansprechende und klemmende Gaspedal, der erste Gang, der sich so schwer einschieben lässt, und der Rückwärtsgang, der sich überhaupt nicht einlegen lässt. Und dabei würde sich Frau Bohatá so gern und mit Lust zurückziehen.

© Übersetzung: Stephan Teichgräber

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Kopcsay, Márius

Arbeitet als Journalist.