Grögerová, Bohumila

Die Schriftstellerin, Übersetzerin und Autorin von Hörspielen und Kinderbüchern Bohumila Grögerová wurde im Jahre 1921 in Prag in eine Legionärsfamilie hineingeboren. Sie absolvierte das städtische Realgymnasium für Mädchen, seit dem Jahre 1951 arbeitete sie im Verlag "Naše vojsko" (Unser Heer). Im Jahre 1972 wechselte sie ins Zentrum für wissenschaftliche, technische und wirtschaftliche Informationen. Im Jahre 1980 ging sie in Rente. Im Jahre 1952 lernte sie Josef Hiršal (1920-2003) kennen, mit ihm bildete sie über ein halbes Jahrhundert ein übersetzerisches und schöpferisches Paar. Ihre gemeinsame Bibliographie umfasst ungefähr 180 Eintragungen. Grögerová lebt zur Zeit in Prag.

Seit Anfang der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts, also von der Zeit an, als Bohumila Grögerová ihre erste Texte und Übersetzungen realisierte, kristallisierten sich im Strom des genreverschiedenen und reichen Original- aber auch Übersetzungsschaffens der Autorin grob vereinfacht zwei Grundlinien heraus: eine Linie des schroffen verbalen und stilistischen Experiments, und eine dokumentarische Linie, die sich um ein authentisches Erfassen der gemeinsamen Kulturmerkmale der sich verändernden Zeit bemühte. Obwohl die Autorin jede ihrer Positionen in verschiedenen Zeiträumen ihres literarischen Strebens unterschiedlich akzentuierte, haben sich die angedeuteten Linien niemals selbstständig entfaltet und entwickelt, sie haben immer miteinander kommuniziert, sich durchdrungen und sich gegenseitig potenziert.

In den 60er und 70er Jahren entdeckte Grögerová in Zusammenarbeit mit dem Dichter und Übersetzer Josef Hiršal neue Gebiete der Poesie: Zunächst bildeten sich in der Traditon des Würfelwerfers von Mallarmé, der kunstvollen Sprache von Velemir Chlebnikov oder der Kaligramme von Guillaume Apollinaire, lyrische Verbalkreationen, die außer der semantischen Ebene auch die visuelle Qualität der einzelnen Äußerungen berücksichtigten (im Buch "JOB-BOJ"). Darauf folgend - entwickelten sich - besonders unter dem Einfluß des von Kolařov verbreiteten Repertoirs der Collagetechnik - drei juxtappositionsunterbrochene Prosen, Preludium, Mühle, Karussel, assoziative, dichterische Strähnen, zufällige Mosaike, in denen die männliche Ratio ein sinnvolles Ornament auf dem flatterhaften und entweichenden Körper aus weiblichen Emo! tionen bildete (es wurde als Dreiweg herausgegeben). Gleichzeitig bereitete Grögerová in den Jahren 1963-1968 selbstständig einen Zyklus wissenschaftlich strenger, exakt beschreibender, emotionsloser und scharf gezogener Äußerungen vor, der sogenannten "ironisch modellhaften Texte", zuerst in der deutschen Mutation unter dem Titel Zivilisationsschemata herausgegeben, auf tschechisch sogar um 26 Jahre später unter dem Titel Meandry.

Elemente des zeitgenössischen Dokumentes dringen in den Bereich des literarischen Werkes von Bohumila Grögerová mit Beginn der sog. Normalisierung vor. Wir finden sie einerseits im Dreiweg vor allem im Eintrittspräludium, das den Charakter eines systematisches Tagebuches aus dem Februar und März 1975 hat, und in dem Reden und Gespräche, Briefe oder Auszüge aus der Lektüre, genauso wie zeitgenössische Impressionen und Notizen von täglichen Ereignissen zu einem Artefakt werden. Und anderseits im dreiteiligen Memoirenmonument "Let let" Der Flug der Jahre, das wieder in Zusammenarbeit mit Hiršal vom Beginn der 70er Jahre an bis 1985 geschrieben worden ist und mehr als ein tausendseitiges Zeugnis ist, das in allgemeinen und individuellen Begebenheiten die Veränderungen der tschechischen Gesellschaft und Kultur in den Jahren 1952-1968 detailliert verfolgt (beso! nders der literarischen Kultur und der Kultur der bildenden Künste), als beide Autoren sie im erheblichen Maße formulierten. In der nachrevolutionären Zeit beendete Grögerová schon selbstständig die Prosa Das Tor aus den Türangeln, die sich in mehreren Erinnerungsebenen der Autorin vermischt und diesmal mehr das persönliche als das künstlerische Leben vor dem Hintergrund der sich verändernden Konturen des 20. Jh. thematisiert. Und der persönliche Ton wird im vorläufig letzten Titel der Autorin dominant, der direkt chronologisch an Das Tor aus den Türangeln anknüpft: in der unsystematischen diaristischen Strähne, die sich " zwischen der Zeit damals und jetzt" erstreckt, konkret zwischen März 1999 und Mai 2003, und zwei tragische Ereignisse umfasst, eine Straßenbahn riss Josef Hiršal wiederholt nieder und die schweren Verletzungen erfordeten im ersten F! all einige Wochen intensiver Krankenhauspflege und im zweiten! Falle, am 15. September 2003, forderten sie das Leben des Dichters.

Gerade Hiršal, der mit Bohumila Grögerová mehr als ein halbes Jahrhundert ein volkommen geeintes Autoren- und Übersetzerpaar bildete, dessen Bibliographie ungefähr 180 Eintragungen umfasst und für das über allem das eigene Motto stand, dass die Autorenzusammenarbeit eines Mannes und einer Frau als schaffender Akt in seinem tiefsten Wesen ein Liebesakt sei, ist in der Zeit zwischen damals und jetzt die dominant thematisierte Gestalt. Er ist das Subjekt, das von Anfang an die Handlung in Bewegung bringt auf natürliche Weise einen größeren Raum füllt, als sich die Autorin selbst in verschieden Darstellungen festlegte - ihren reduzierten Erinnerungen, Empfindungen des Alltags, der sich aus der Lektüre, dem Schreiben, den privaten Überlegungen und Gesprächen und immer öfter aus ihrem Träumen ! zusammenstellte.

Während die Autoren im Dreiweg schrieben, dass der gemeinsame Text "mehr Zuneigung und Einverständigkeit als die subtilste Liebeskorrespondenz ausdrücken" sollte, bemüht sich Grögerová diese Prämisse in ihrem zeitgenössischen Band selbst zu erfüllen. Am Anfang ihres "Spitaltagebuches" spürt sie natürlich Hiršals plötzliche Abwesendheit - seine tiefe Bewusstlosigkeit - als eine alles grausam durdringende und beklemmende Abwesenheit ("Ich bin alleine, Joska weiß von mir nicht.") und sie reduziert ihre Sinne auf ein einziges phantasmawahnsinniges Bild seines verletzten Gesichts - "die blutüberströmten Augen starren flehentlich auf mich". Die Einverständigkeit kommt aber gleich: Es handelt sich um keine Emotionen, die die Autorin wahrscheinlich bald in den Abgrund des verbrennenden Schmerzes und der Hoffnungslosigkeit, des Ausweglosigkeitsgefühls und der aussi! schtslosen Erinnerungen hinreißen würden, sondern um Vernunft, die ein imaginäres Gespräch mit Hiršal zu führen diktiert. Ein schroff und klar formulierter Monolog, dessen Charakter zweifellos autotherapeuthisch ist, denn er entwickelt sich "gegen den Gedächtnisverlust und gegen die Trauer" - selbst wenn es sich um "einen schwachen Ersatz für unsere Gespräche auf den Spaziergängen, für unsere Unterhaltungen nachmittags beim Kaffeetrinken oder für das Meditieren über alles Mögliche am Abend beim Weintrinken handelt". Es entsteht eine Textsträhne angespannt zwischen zwei Welten, einer gegenwärtigen, der Welt jetzt und hier, und der unerreichbaren, die für eine Zeit, sozusagen nach der Art von Sartre, irgendwo außerhalb des Bewusstseins hingeworfen wird: Grögerová bezieht Hiršal in den Text nicht nur mit ihren Anmerkung! en ein, in denen sie seinen sich langsam normalisierenden Zust! and und erste wiederholte Kontakte mit der Wirklichkeit beschreibt, sondern auch durch autentische Umschriften der Versenkungen des Dichters in die Schichten des Gedächtnisses und der Halutinationsvisionen, die sein momentan verändertes Bewusstsein produzieren ("im Kopf schwimmem indifferente Bilder und Abschnitte von Erinnerungen an die Kindheit").

Die Zeit zwischen damals und jetzt wird in ihrer Grundlage zu einem Verteidigungs- oder eher Schutzschreiben, zur Bemühung das so geliebte Subjekt zurück ins Leben zu bringen, zur Tagebücheranbetung und Verwünschung: Die Liebe, auch wenn (oder gerade deswegen) vorläufig unerwidert, einseitig, wird hier zu einer romantischen Anspannung aber ohne sämtliches Pathos, lyrischen Schmuck oder Adoration - Grögerová spricht in Grundbegriffen mit einem einfachen Wortschatz und einem Antiillusionsstil teilt sie das Wesentliche über ihre und wahrscheinlich auch allgemein menschliche Existenz mit: "Ich schreib auf das Papier mit großen Druckbuchstaben: Ich liebe Dich und denke ständig an Dich. " In dieser Art und Weise der Anspracheformulierung - bemerkbar am Anfang des Buches, die im schroffen Rapport rhytmisiert wird, fordert sozusagen zur Deklamation auf - beobachten wir die Anknüpfung! an die schöpferische Philosophie der dichterischen Konkretisten der 60er Jahre, am deutlichsten von Ladislav Novák, aber auch, wenn auch in kleinerem Maße von damaligen Surrealisten oder aus dem Surrealismus stammenden Autoren wie Věra Linhartová, Stanislav Dvorský oder Milan Nápravník: Ihren formalen Experimentismus füllte ein existenzial gefärbter Inhalt aus, der vorwiegend komisch endete - ironisch, humorvoll, vor allem aber absurd.

Der schöpferischen Ästhetik der sechsten Dekade des letzten Jahrhunderts nähert sich der Text von Die Zeit zwischen damals und jetzt neben den sprachlichen und stilistischen Mitteln auch mit seiner entspannten, experimentell gefassten Struktur. Im Gegenteil zum Prinzip der ordentlichen Collagentechnik der Autorin in Das Tor aus den Türangeln findet man im neueren Buch größeren Akzent auf der schöpferischen Spontaneität, Unsystematik, Spiellust: Textsegmente verschiedener Genres, mit unterschiedlichem Tempo gestaltet und verschieden rhythmisiert, die sich zwischen einer Überlegung, einer Tagebucheintragung, Traumaufzeichnung, Erzählung und einem Gedicht in Prosa bewegen, werden eher auf dem Grunde der Assoziationen und der objektiven Zufälle nacheinander geordnet als nach einem a priori festgelegten rationalen Konzept. Durch den Text begleitet auf sichere Weise nur die chronologische Anordnung der Ereignisse - wie schon ! im Flug der Jahre, zu dem Die Zeit zwischen damals und jetzt als bescheidener Anhang gedacht war, wie die Autorin selbst wiederholt andeutet.

Bibliogrphie:

O podivné záhadě na poštovním úřadě (s J. Hiršalem) SNDK 1962 Tschechisch

Co se slovy všechno poví (s J. Hiršalem) SNDK 1964 Tschechisch

JOB-BOJ (s J. Hiršalem) Československý spisovatel 1968 Tschechisch

Trojcestí (s J. Hiršalem) Mladá fronta 1991 Tschechisch

Let let I-III (s J. Hiršalem) Rozmluvy a Mladá fronta 1993-1994 Tschechisch

Meandry Torst 1996 Tschechisch

Branka z pantů Torst 1998 Tschechisch

Čas mezi tehdy a teď Klokočí a Knihovna Jana Drdy 2004 Tschechisch

Klikyháky paměti (rozhovor s R. Kopáčem) Concordia 2005 Tschechisch

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Frau Grögerová, Bohumila
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