Graue Zone

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Jiří Dedeček

                       

Graue Zone

 

Hynek hatte immer schon gern die zwei Häuser, die gegenüber des Radiogebäudes in der Vinohradská Straße standen. Ihre schwärzliche Fassade in höheren Stockwerken gekennzeichnet durch Schüsse der sowjetischen Maschinengewehre zeigte er mit gewissem Genuss den ausländischen Freunden, nicht nur nach dem 68-er Jahr, sondern noch gute zehn, sogar fünfzehn Jahre nach der samtenen Revolution. Das ist nicht der zweite Weltkrieg, sagte er dann immer mit einem Lächeln, das waren Maschinengewehre unserer Freunde......

Aber die Ausländer glaubten ihm nicht wirklich; um so westlicher umso  größer das ihr Misstrauen. Am Anfang der neunziger gab ihm ein Redakteur des Senders France Inter, Kommunist durch und durch, 100 Franken mit dem Wunsch, dass Hynek sie einer bestimmten persequirten Familie aus  Meziříčí überbringt.

„Es sind meine Freunde, ihre Tochter besuchte das Lyceum bei uns in Nimes,“ erklärte er. „Sie haben mir geschrieben, dass bei euch nach dieser sogenannten Samtenen Revolution  die Kommunisten grausam verfolgt werden. Der Familienvater verlor dadurch seine Arbeit, und deshalb will ich ihnen bisschen was schicken.“

Hynek lächelte, hundert Franken waren bisschen was über fünfhundert Kronen, aber der französiche Kollege erklärte sich sein Lächeln als Zeichen der Ironie.

„Versuchen Sie sich in die Lage dieser Menschen zu versetzen, die an diese Idee glaubten, für sie ehrlich gearbeitet haben und jetzt werden sie von diesen lustrierten Kommandos auf jeden Schritt und Tritt verfolgt!“ Der Franzose gestikulierte aufgebracht mit den Händen und die letzte Worte schrie er schon heraus.

„Hier existieren keine lustrierte Kommandos,“ Hynek winkte es mit der Hand weg und bei dieser Vorstellung musste er noch einmal lächeln.

„Bitte, wem wollen Sie es einreden!“ schrie der Franzose, aber zugleich wurde er leiser und schaute in den Gang ängstlich hinein, damit er die Verfolgung auf jeden Schritt und Tritt demonstrieren konnte.

„Sie haben so ein Kommando gesehen?“ fragte Hynek.

„Natürlich nicht, die Geheimpolizei werden sie doch nicht auf der Straße erkennen,“ flüsterte er mit der Überlegenheit eines Wissenden. „Sie müssen es doch am besten wissen, das ist wie damals die Geheimstaatspolizei.!“

Hynek schüttelte resigniert den Kopf: „Aber… aber es ist nicht so …! Um Gottes Willen woher haben Sie diese Informationen!“

Aber der Franzose redete weiter: „Ihnen scheint es vielleicht als richtig, weil Sie ein Dissident waren und Sie haben jahrelang gegen Kommunismus gekämpft, ....dies müssen Sie mit Ihrem Gewissen selbt vereinbaren....aber sie –„

„Ich war kein Dissident,“ unterbrach ihn Hynek. „Ich habe zu der schweigenden Mehrheit gehört, man sagt dazu die graue Zone.“

 

Ende der 90-er Jahre des 20.Jahrhunderts kam auf einmal die Zeit, in der sich die Welt auf wundersamer Art und Weise versöhnen wollte und in der der Westen in seinem Verlangen nach einem überschaubaren Russland, seine Augen vor dem Verbrechen seiner jetzigen Präsidenten schloss. Hynek befürchtete, ob man auch die vergangenen bis zum Stalin in diese Versöhnung einschliess, und infolge dessen dann auch eine komplett neue Sicht über das Jahr 1968 gewinnt. Um so älter er wurde, umso intensiver wurde ihm bewusst, was alles ihm der Komunismus wegnahm. Er hegte in sich eine trotzige Entscheidung mindesten genau soviel Zeit wie vor der Revolution, nach ihr zu durchleben, um nicht als ein Mensch mit dem Schickal zu sterben, dessen Großteil seines Leben die Totalität verschlung. Mindesten halb halb, sagte er sich. (Solange die Häuser nicht saniert werden, wird alles gut.)

 

Als Fünfzehnjähriger bespuckte er gewissenhaft die Besatzungsfahrzeuge bis Ende September. Aber der Mensch kann sich doch nicht durch das ganze Leben durchspucken. Er entschied sich – obwohl es unangenehm an die Ratschläge, Weisheiten und Predigt seiner Mutter erinnerte – dass er sein Protest durch gute Arbeit zum Ausdruck bringt. Letzten Endes, sagte er sich, wenn er verwundert das konsolidierte Regime und seine Auswirkungen in der Arbeit beobachtete, die PARTEI ist so deppert, dass beliebige mäßig intelligente Sendung  sofort als Staatsverbrechen betrachtet wird. Die Politik hatte er in der Arbeit gemieden, wie es nur möglich war; seine Kollegen lachten ihn aus, weil er quasi damit  den Grabhügel/Denkmal seines Vaters umgehen wollte. Vielen sind Haštals literarische Beiträge zumindest als abschreckendes Beispiel im Gedächnis hängen geblieben.

 

Er erinnerte sich auf Haštals schwachen Versuch nach der Samtenen Revolution den schöpferichen Geist neu zu erwecken und er erinnerte sich auch auf das Epigramm, wegen dem sie sich heftig zerstritten. Er sah wieder vor sich die erbämliche Gestalt des ehemaligen Offizieres der Tschechoslowakischen Volksarmee, wie er sich in seiner schmutzigen Windjacke über noch schmutzigeren Rucksäckchen beugt und nach etwas mit einer inneren Verzweiflung sucht

        „Ich wollte dir etwas zum Lesen geben, Hynek… Irgendwo muss ich es haben, so ein Witz, aber ich glaube, dass es... verdammt , wohin könnte ich es gegeben haben.....“

        „Ist schon gut, Papa, ich hab`s sowieso eilig,“ versuchte Hynek diesem peinlichen Moment auszuweichen. Und dass es peinlich wurde, daran zweifelte Hynek überhaupt nicht, weil diesen peinlichen Touch hatten nach all den Jahren alle Gespräche mit seinem Vater bekommen;es kam ihm immer vor, dass der Vater auf jegliche gestellte Frage eigentlich keine Antwort erwartet, sondern mehr auf die Absolution von ihm hofft. Leiwand,aber der musste  zuerst die Beichte folgen, Papa, sprach er ihn innerlich und ironisch an so,wie er es nie laut getan hätte. Papa, Papa  .…

        „Jo! Ich hab`s!Schau hier ist es... das ist nur so ein Epigramm, aber ich glaube....“ Haštal packte ein zerknülltes Blatt Papier, mit schwarzweißen Druck auf einer Seite, aus.Wahrscheinlich hatte er irgendwo ein Plakatchen hinuntergerissen. IN UNSEREN LIEDER SCHWIEGEN WIR NICHT!FOLKSKONZERT, buchstabierte  Hynek aus zerknülltem Blatt. Bis er aber zu den Namen von mitwirkenden Helden kam, hatte Haštal das Papierblatt mit der Hand geglättert und zeigte ihm mit verunsichertem Stolz die unbedruckte Seite mit zwei kurzen handgeschrieben Zeilen. Große Blockbuchstaben verkündeten: „Ich bin der Partei nicht beigetreten, so hab ich mein Leben ins Scheiße getreten/Parteimitglied war ich keiner, so ist mein Leben g`fallen in Scheißeimer…„

        Hynek schwieg lange und starrte den Blödsinn an. Vielleicht wenn es eine Band als Slogan nehmen würde und dazu noch ein paar Ideen und es dann auf uns vom Podium als Vorwurf runter schreien würde …

        „Nojo, no… Und hat es eine Fortsetzung?“ fragte er um Zeit zu gewinnen.

        „No nicht wirklich, das ist so alles … Es geht um nichts, es soll nur ein Witz sein, verstehst du …“ erklärte Haštal, dabei zum Boden schauend, wie ein Schüler bei der Tafel.

        „Aber Papa,“ artikulierte vorsichtig Hynek, „es ist doch nicht wahr …“

        Haštal wurde rot und tritt verlegen von Fuß zum Fuß. Schief schaute er Hynek an und fing an das Blättchen sorgfältig zusammen zu falten .

        „No jo, Ich...… du hast Recht natürlich, aber...aber ich glaubte.... mir ging rein literarisch...vielleicht zusammen mit einer Karikaturzeichnung …“

        Hynek schüttelte seinen Kopf.

        „Also du galubst, dass es nicht so gut ist?“ fragte Haštal rezignierend. „Dass es schlechter ist, als das was heute produziert wird?“

        „Ich weiß nicht, was heute gemacht wird,“ weichte Hynek aus.

        „No wieso, du bist doch im Radiosender …“

        „Aber beschäftigen tue ich mich mit anderen Sachen.“

        „Na, gut, geht schon … Vergiss es,“ sagte Haštal.

 

        Aber Hynek vergass es nicht. Diese Szene kam immer zurück, er fragte sich selbst, ob  eben gerade sie der  symbolische Bruch war, mit dem er indirekt seinen Vater zum Sterben aufforderte.

 

 Zerschossene  Häuser, aus unbekannten Gründen, entgingen der Aufmerksamkeit der normalisierten Architekten und blieben als Beweis weiter. Und als Inspiration. Aus den Fenster höheren Etagen des Sendergebäude war möglich alle Löcher in der Fassade anzuschauen. Hynek war ein paar Mal dort und sah, wie gut man die Schussneigung anhand der schrägen Absplitterungen der Wände beobachten konnte. Immer stellte er sich die Familie, die hinter diesen Wände und den Fenstern zu diesem Zeitpunkt  wohnte. Legten sie sich nieder und warteten bis es vorbei war? Oder vielleicht waren sie gar nicht zu Hause? Vor seinen Augen durchlief ihm ein ganzer Kriegsfilm. Er beneidete die gebeugte, schmierige Redakteure mit ihren spähenden Blicken und ihrer ewigen  Angst um die Büros in höreren Etagen.So ein unverdientes Luxus! Sie sollten im Keller residieren, in der Erde so tief wie nur möglich, sie sehen doch wir pückliges Insekt aus, das sich in alle Richtungen verstreut, wenn man den Stein hibt.....

 

„Schau, dass wir ein paar Jahre nach der Revolution haben, heißt noch lange nicht, dass man jeden beleidigen kann, der uns einfällt …“

„Aber, ich habe doch niemanden beleidigt, sie haben es gesagt. Und wenn du ein bisschen nachdenken würdest, dann wirst du drauf kommen, wem es  ins Kram passen würde.. “ verteidigte sich Hynek leise direkt in die Augen des Chefsredaktuers schauend. (Wenn er zum Boden schauen würde, würde es sich wie sein Vater vorkommen) „Und wenn es so ist …“

„Hynek…Hynek… wie lange kennen wir uns beide“ warf der Chefredakteur seine Hände auseinander, bis unter den Armen des Rosahemdes die verschwitzte Flecken zum Vorschein kamen. „Wie lange?“

„Lang genug.“

„Dann versuch mir nicht einzureden, dass du es nicht so gemeint hast! Es war im Äther! Du hast sie der Zusammenarbeit mit KGB beschuldigt!“ die Stimme des Chefredakteur brach zusammen, die furchterregende Abkürzung der letzten Zeit blieb ihm wie trockenes Knödel im Hals stecken.

„Vorsicht, dass ist nicht wahr, ich habe gesagt, dass ich glaube, dass sie sich verhalten, als werden sie immer noch von der KGB geführt. Und das ist ein Unterschied.“

„Was für ein Unterschied, du Depp?!“ verlor der Chefredakteur endlich seine Nerven.“Welches Unterschied!? Schau, ich habe genaue Kopie deiner depperten Überlegung –als wären sie immer noch von der KGB geführt …!“

„Sag ich doch…“

„Aber das heißt nicht logisch gleich „auch vorher“, wenn „immer noch“, verstehst das nicht?

„Ich habe nicht „immer noch „gesagt, das sagst du, ich hatte dort nur“immer“stehen, und das ist ein Unterschied. Und ausserdem.... –„

„Das ist verdammt ein Unterschied, den nur du spürst, aber beide Abgeordnete wollen dich klagen!“ schrie der Chefredakteur mit Schaum in seinen Mundwinkeln.

„No, dann sollen sie klagen, damit ist es gelöst, oder?“

„Scheiße ist damit getan! Nur für dich! Aber was soll ich,was passiert mit mir, du Ochse, drauf hast nicht gedacht, gell?!“

Hynek zuckte mit der Schulter.

„Auf das hast du nicht gedacht, wenn du dein Pappen aufgemacht hast! Das ist kein Hyde Park,scheiße! Das ist ein öffentlichrechtlicher Sender!“

„Eben…“

„Aber ich bin hier für alles verantwortlich! Du nicht, du Ochse! Du quatscht hier irgendwas her und gehst wieder! Aber ich muss dafür grade stehen, ich trage das Risiko! Ich führe hier das ganze schon 15 Jahre! Und in dieser Zeit ist mir so was noch nicht passiert! Ist es überhaupt möglich, dass du so ein Arschloch bist!? Oder tust nur so?!“

„Um was gehts dir?“

„Rate mal!“

„Ich warte drauf, dass du es mir sagst,“ antwortete Hynek mit müder Gelassenheit.

 „Ah so du wartest,gehe ich dir am Arsch, gell? Am Ende schickst du mich noch in den Arsch! Weißt du was,   noch heute wirst du dich öffentlich entschuldigen.Noch vor den Abendnachrichten!Ich habe dir hier einen Text geschrieben und den wirst auch dort vorlesen!Und mit Herz,das sag ich dir! Sonst…-“

Hynek nahm vom Chefredakteur bedruckten Papier und schaute sich die ersten Zeilen an.

Der Text schrie nach eingeborener Arschkriecherei und stylistischem Geschick eines Schlaumayers.Zettel,den er in der Hand hielt, kam ihm wie ein Stein schwer, den er gerade aufhob und der ihm den Blick auf das eckelerregende herumkriechende Insekt bietet, aber er gab  noch nicht auf.

„Das werde ich nicht vorlesen.

Das einzige was ich sagen kann ist, dass ich mich irrte, weil die KGB unter dieser Bezeichnung nun mehr in der Ukraine fungiert. Das sollte doch reichen, oder?“

Der Chef schnappte nach Luft und machte Bewegung, als würde er Hynek ein Fausthieb verpassen wollen. „Jetzt bist du ein Held! Jetzt traust dich ablehnen!

Aber was hast du verdammt die ganzen 80-er gemacht, du Held!!!???“

 

„Bei dir in der Redaktion gearbeitet,“antwortete Hynek wahrheitsgemäß und drehte sich zur Tür. „Eigentlich bis heute.“

„Schleich dich, du Arschloch,“krächzte der Chefredakteur,“schleich dich bevor ich echt haß werde.....“

 

Als Hynek hinter sich die Tür schloss, empfand er eine Erleichterung: ich muss nie wieder her!Nur der Blick auf die Häuser wird mir abgehen. Mit so einer Geschwindigkeit haben`s nicht einmal seinen Alten aus der Armee geworfen. Aber irgendwie geht heute alles schneller......

Der Sachbestand war sehr einfach – nach Prag kam der Generalsekretär der UNO. Im Parlament sprach er mit den Abgeordneten über den Beitritt der Tschechischen Republik; einer von ihnen hatte ihn während der Diskussion gewarnt, dass er sich keine Illusionen machen soll, dass ohne Referndum kann mit uns die UNO nicht rechnen und ein anderer fragte ihm, ob man nach ein paar Jahren aus dieser Militärgruppierung aussteigen kann. Hynek fiel ein, dass beide Deppen treffend die Redensart „...........“illustrieren.

Er selbst war von keiner Millitärverbindung begeistert – weil er sich immer vorstellte, dass alle befehlausführende Zentralen und Generalstabe auf der ganzen Welt aus hunderten Haštals bestehen und in diesen Momenten machte er sich Sorgen um den Schicksal der Welt – aber instinktiv fühlte er das Verlangen sich definitiv von dem sowjetischen Einfluss zu befreien; naiv glaubte er, dass dies mit ihm die ganze Nation teilt.

Während der hastigen Ereignissen des Novembers 1989 hatte sich Hynek so sehr gewünscht nützlich zu sein, die normale Radiopublizistik schien ihm gerechter weise nicht ausreichend im Hinblick auf das was in der Republik alles passierte.Wiedereinmal lauft die Zeitgeschichte, wiederholte er sich immer wieder den dummen Klischeespruch des Senders, als werde glauben, dass er damit für sich eine wichtige Aufgabe herrufen würde.Aber die Tage verlaufen, ein Meeting folgte dem anderen, und ihm wollten sie nicht einmal in die Räumlichkeiten des Palais Adria hineinlassen, dort wo sich die Gründer und Anhänger des Bürgerlichen Forums trafen.

„Auf einmal würde sich vielleicht die ganze graue Zone auf einmal dabei sein wollen“, knurrte ihm einer von der Security-Männer beim Eingang entgegen.

 

Tiefst verletzt fuhr noch am gleichen Tag Hynek ins Dorf, wo er seine Kindheit verbrachte. Wenn er sich dann am Abend Zigaretten im Gasthaus kaufte, wurdeer von den ansässigen Männern aufgefordert/ die auch schon gemäß der Demokratie Bürgerliches Forum gegründet haben, aber Frauen waren unerwünscht/, den morgigen Generalstreik anzuführen.

Er stand vor ihnen und sah in die Gesichter des Nachkommens deren, die vor halben Jahrhundert seinem Opa Jiri mit Auflösung seines Schmiedvertrages drohten, die auf Rat seines Uronkels Josef schnell der landwirtschaftlichen Einheitsgenossenschaft beigetreten sind und zuerst dort stehlen lernten und überhaupt zum Geld zukommen durch Methoden, über die sie sich nicht einmal in der ersten Republik träumen trauten.

 

 

 

Es gelang ihnen die Liebe zu Scholle zu mindest zu der eigenen, die sie jahrhunderte pflegten und hegten, auszulöschen. Sie lernten sogar statt“Viehzucht“ „Tierproduktion“ zu sagen.

Jetzt standen vor Hynek ihre Söhne, vielleicht ihre Enkel, die kennten die Liebe zur Scholle nicht mehr und gemeinschaftlichen Diebstahl hatten sie in den Genen, dachte sich Hynek, wie er die letzten Jahrzehnte passieren hat lassen, durch die seine Familie dieses gottvergessenes Ortchen gebrandmarkt hatte.

Er sagte zu ihnen, dass sie Zeugen einer großen Zeit sind, in der die Geschichte mit Meilenschritten vorantritt.

 

Für diese Worte wäre er am liebsten im Boden versunken, aber er wendete sie an als Trotzaktion gegen dem Security_mann beim Eingang des Palais Adria.(Dass sie nicht glauben, dass sie so viel anders sind und dass sie an nichts aus dem Vergangenen anknüpfen würden. Die Sprache bleibt euch, dachte er sich schadensfroh, die werdet ihr nicht los, auch wenn ihr wolltet, weil das nicht von euch abhängig ist, das ist unsere Sache, uns der grauen Zone, des Personals der Medien.) Die versammelten Dorfbewohner schwiegen und warteten was weiter passieren wird. Er sagte ihnen, dass in ein paar Jahren wird es keine Sowjetunion geben, aber sie lachten,

dass er komplett irre ist. Er sagte ihnen, dass die Kommunistische Partei langsam eingehen würde, wenn sie das neue Regime gleich nicht als ungesetzlich erklärt. Und da aus ihrem Schweigen fühlte er, dass er übertrieben hatte; es wurde ihm bewusst, dass da alle in der Partei sind, und da gab es dabei keine moralische Hindernisse – Kommunistische Partei, Revolutionäre Gewerkschaft, ... willst du Geld und Ruhe, also unterschreibe.

 

Und wenn sie dich nicht nehmen, lass ich dich einwählen! Und so haben sie in vernichtender Mehrheit unterschrieben und jetzt nervt sie seine Prophezeiung.

 

Er wollte noch etwas über neue Vertreter des zukünftigen freien Staates sagen, aber sie pfiffen ihn aus.

Statt Hynek übernahm das Wort der jahrelange Vertreter von Onkel Josef und durch und durch ein Kommunist. Zuerst hatte er theatralisch seine Parteilegitimation zerissen und dann schlug er seine eigene Wahl für den Posten des Vorsitzende des Bürgerlichen Forums vor. Er wurde einstimmig gewählt.

Hynek kappierte, dass er auch da nichts verloren hat, dass er in keine Partei passt und es wird wahrscheinlich immer so bleiben. Er erinnerte sich, dass er vor ein paar Monaten ins Dorf die Charta „Ein paar Sätze“ zum Unterschreiben brachte und wie ihm viele stolz erklärten, dass sie es zum zweitemal unterschreiben. Wenn er drauf näher einging, kam raus, dass sie das erstmal eine Gegencharta der Partei unterschrieben hatten, um damit den Beweis des Zorns des Volkes zuliefern.....

Wenn er dann mit ihnen nach der Versammlung beim Bier saß, wurde er Zeuge eines Gesprächs, das ihm komplett fertig machte. Revolutionäre Alkoholiker versuchten sich in der politischen Diskussion zu überschreien.

„Dass die Russen nicht wieder alles aufmischen würden, wie damals 1971“, versuchte einer von ihnen den Enthuasiusmus zu mildern.

„Geh bitte du Depp“, beruhigte ihm sein Nachbar,“das ist kein deppertes Ungarn, sondern die Tschechoslowakische Sozialistische Republik, du Ochse, die UdSSR, kapito!“

 

 „CSSR, oder?“

„Das ist wurscht,“ sagte prophetisch der Sprecher und nahm einen großen Schluck Bier.

"Ich erinnere mich," schrie ein anderer, "dass die Russen im Frühling 68 kamen, wisst eh, das war so ein Prager Frühling, aber Scheißfrühling, verstehst, Schneeverwehungen überrall, mein Freund, und jetzt der Dubcek mittendrin, ....ein Wahnsinn!...“

           "Da erinnerst du dich aber gewaltig falsch,"  versuchte ihm sein Nachbar zu überschreien, "weil Russen kamen viel später im Herbst 71, oder vielleicht kurz vor Weihnachten. Ich weiß es deshalb so genau, weil man den Teich ausgegraben haben bevor es friert..."

"Die Russen kamen mit Husák, Dubček hätte sie nie hineingelassen, ihr Trottel,“sagte der dritte,“Gell Hynek“?

Aber Hynek saß da wie Alice im Wunderland und mischte sich  nicht mehr ein, weil er  langsam den Markstein der Geschichte suchte, durch den er sich merken würde, dass die samtene Revolution im Jahre 89 im Herbst stattfand...

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Author

Dědeček, Jiří

* narozen 13.2.1953 v Karlových Vare

 

Translator

Amon, Pavlina