Dass mit dem Kabarettisten Dieter Hildebrandt und den Schriftstellern Martin Walser und Siegfried Lenz nach Günter Grass und Walter Jens weitere Intellektuelle als NS-Parteimitglieder auftauchten, wie das Magazin „Focus“ berichtete, beschäftigt weiter die deutschen Medien. Die Süddeutsche Zeitung (SZ) tadelt die Kollegen: „Jeder Feuilleton-Redakteur weiß: Wenige Themen vermögen die Leserbriefschreiber so zu motivieren wie Artikel über den Nationalsozialismus.“ Den Beschuldigten, die sich teilweise damit verteidigt hatten, sie seien ohne ihr Wissen in die Kartei geraten, billigt die SZ aufgrund ihrer Jugend mildernde Umstände zu: „Jens war 19, Hildebrandt 16, Walser und Lenz 17.“
An sich sei das Bestreben der Medien, schwarze Schafe in der bundesdeutschen Demokratie ausfindig zu machen, „zu begrüßen“: „Opportunisten, die ihr Mäntelchen freiwillig durch den braunen Mist zogen, um es hernach persilweiß zu präsentieren, verdienen die Brandmarkung. Das damalige Alter der drei Delinquenten spricht freilich gegen diese Vermutung“, so die SZ.
„Man kann Sex haben, ohne zu penetrieren, Haschisch rauchen, ohne zu inhalieren. Aber kann man auch Mitglied der NSDAP gewesen sein, ohne es zu wissen?“, fragt die „Neue Zürcher Zeitung“.
„Lob den Kommunisten“?
Die Thematik sei nicht neu: „Schon im Westdeutschland der Fünfzigerjahre, als es um die Besetzung wichtiger Ämter ging, war von ,Unwissenheit‘ über die Partei-Aufnahme oder von ,kollektiver Übernahme‘ aus der Hitlerjugend die Rede. Einst ging es um die Größen in Politik und Wirtschaft, dann um den akademischen Betrieb und jetzt sind die Autoren an der Reihe.“
Unter dem Titel „Lob den Kommunisten?“ spottet „Neues Deutschland“, ehemals Organ der SED (Einheitspartei der DDR), über die „lächerliche, sommerlöcherliche Debatte“ um „Last-Minute-Partei-Zugehörigkeiten der Jungspunde Walser, Hildebrandt, Lenz“. Selbst dort, wo eine eindeutige „(F)aktenlage vorläge, geht es in erster Linie um Verdächtigung. Wichtig ist nicht, was von der Gründergeneration der alten Bundesrepublik bleibt: Wichtiger soll sein, was kleben bleibt.“
Am Ende gibt es statt eines reinen Tisches nur „schmutzige Wäsche“: „Warum wendet man sich nicht denen zu, deren Aktenlage klar ist, weil sie wenige waren: Kommunisten, Sozialdemokraten, Deserteure, andere Antifaschisten? Wenn die Vergesser und Verdränger so nerven, warum keine gründlich ehrende Hinwendung zu denen, die nach wie vor gern vergessen, aus der Öffentlichkeit verdrängt werden?“ bp
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2007)
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