Die Memoirenliteratur des 20. Jahrhunderts charakterisiert eine individuelle Heterogenität, dank derer die Forschung auf die Befugnis verzichtet, universale Genre- oder Stildefinitionen zu generieren. Eine solche interpretativ äußerst gewagte These stützt sich auf den subjektiven Charakter aller Texte der Erinnerungsprosa. Sie nehmen wir zur Grundlage, wenn wir die Verbindung von Literatur mit der Ambition, Wirklichkeit, die das Ergebnis einer reflektieren-den Individualität ist, widerzuspiegeln, dechiffrieren. Die Kombination authentischer Zeugen-schaft mit dem Grundriss fiktiver Literatur setzt das Schaffen mehrerer paradoxer Verbindun-gen voraus. Durch sie wird die aktuelle Welt der Vergangenheit ein Objekt der Beobachtung, bei der außer dem ethischen Blickwinkel die ästhetische Funktion zur Geltung kommt. Durch unsere Voraussetzung wollen wir selbstverständlich nicht die Gestalt der geschichtlichen Pro-zesse eliminieren. Ebenso wollen wir nicht so tief sinken, dass wir uns auf die einfache Be-schreibung inkohärenter Elemente beschränken. Akzeptieren wir die Versuche, die Identität des historischen Prozesses, der Teilgesetzmäßigkeiten unterliegt, zu enthüllen, trotzdem wir im Falle der Memoirenliteratur mit ziemlich relativistischen Tendenzen zu tun haben. Diese beeinflussen die Merkmale der künstlerischen Erscheinungen. Es mischen sich in sie psychologische und philosophische Elemente ein, es werden in ihnen Bedeutung und Möglichkeiten der Sprache mit allen Beschränkungen thematisiert, die die Erkenntnis der Geschichte erheblich in Zweifel zieht. Vergessen wir auch nicht den Wechsel des gesellschaftlichen Klimas. Auf seinem Hintergrund registrieren wir die Anwesenheit ideolo-gischer Prinzipien. Die aktuelle Kombination dieser Phänomene ist eine Sache eines breiteren Zugriffes, hinter dem wir allgemeinere Methoden der Forschung ahnen. Ihre Aufgabe ist nicht die Reduktion der Memoirenliteratur auf eine Äußerung der praktischen, reflexiven Tätigkeit. Die Prosatexte berühren die Wirklichkeit, aber in vielen Punkten ordnen sie sich ihr nicht un-ter. Ein wichtiges Element bleibt darum die Spontanität, die gegenüber einer Menge von fak-tographischen Unklarheiten offen ist.
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