Speng

Publication Data

Publisher:
ISBN:
ISSN:
Publication Date:
Edition:
In stock: NO
Email:
Country:
See also:




Speng (der Literatur- und Kulturzeitschriften)

Die Brünner Zeitschrift „Host“, auf Deutsch „Gast“, ist sicher neben „Kolik“ und dem „Romboid“ eine der wichtigsten Literaturzeitschriften in Centrope. Sie verweist auf eine lange Tradition noch aus der Zeit der Normalisierung, in der sie im Samizdat unter dem Titel „Host do domu“ (Der Gast kommt nach Haus) erschien. Ich glaube, dass wir die wichtigen Zeitschriften in Centrope oder überhaupt in Mittel- und Zentraleuropa kontinuierlich verfolgen sollten, da dies ein spürbares Manko in Österreich ist, dass wir uns nur mit unserer eigenen Literatur beschäftigen. Die Zeitschrift wird schon seit mindestens fünfzehn Jahren von Miroslav Balaštík geleitet, der zugleich für die Neugründung des Verlages „Host“ in den neunziger Jahren verantwortlich war. Dieser Verlag hat in Tschechien die Bedeutung wie „Zsolnay“ oder „Residenz“ in Österreich oder geht in seiner Bedeutung noch darüber hinaus.

Das Heft, in der Zählung das sechste des Jahres 2010, ist einerseits dem tschechischen Romantiker Karel Hynek Mácha gewidmet, dessen 200. Geburtstag in Tschechien begangen wird. Das Zentrum für tschechisches Schriftum hat ihm eine ausführliche Ausstellung im Sommerschloss Kaiser Ferdinands gewidmet, die auch im Herbst in Bratislava zu sehen sein wird; leider haben sich keine Österreichischen Museen darum bemüht, die Ausstellung nach Wien oder an einen anderen Ort in Österreich zu bringen. Das Heft bringt ein ausführliches Interview mit Dalibor Tureček aus Budweis, dem wahrscheinlich renommiertesten Bohemisten zur Zeit in Tschechien. Durch das Interview wird ein guter Einblick in die derzeitigen Máchaforschung gegeben. Einen wichtigen Teil nehmen die Untersuchung zum intimen Tagebuch Máchas ein, wo er die sittlichen Konventionen des 19. Jahrhunderts radikal bricht. Eine weitere interessante Abhandlung von Karel Piorecký beschäftigt sich mit den literarischen Manifesten, die Anfang der neunziger Jahre entworfen wurden und die aus westeuropäischer Sicht verhältnismäßig anachronistisch wirken. Dabei haben sie durchaus wichtige Lyriker, wie Jaromír Typlt, Martin C. Putna und Petr Borkovec oder Roman Szpuk, entworfen, doch blieben sie insgesamt ohne Auswirkungen. In Tschechien beginnt schon eine gewisse Nostalgie nach den neunziger Jahren, in denen auch in den wie Teplice ein echtes Kulturleben existiert habe.

Der größte Teil des Heftes  stellt Budweis als Literaturstadt vor und das ist umso erfreulicher, da ich Budweis Anfang der neunziger Jahre als eine ziemlich verschlafene Stadt erlebt habe und es jetzt eine wirkliche lebendige Literatur dort gibt, die durchaus den provinziellen Rahmen sprengt. So stellt das Heft junge Lyriker aus Budweis vor wie Miroslav Boček, Marcela Pátková, Kateřina Bolechová und Martin Šesták vor. David Jan Žák ist als Schriftsteller aus diesem Raum schon lange in Österreich, zumindest in Oberösterreich bekannt. Budweis ist eigentlich, im Unterschied zu Brünn, Salzburg, Olmütz oder Graz keine Stadt, die bekannte Verlage besitzt. Umso interessanter ist die Geschichte des Verlags „Růže“, der nach der Niederschlagung des Prager Frühlings lequidiert wurde. Das Interview mit dem damaligen Verlagsleiter Robert Sak zeigt, was der Verlag in den wenigen Jahren seines Bestehens geleistet hat. So gab er erstmals nach zwanzig Jahren den inhaftierten Historiker Zdeněk Kalista heraus, dessen Buch über den südböhmischen Barock „Jahrhundert der Engel und Teufel“ beispielhaft die umfassende Untersuchung einer geographischen Region aufzeigt, die sich selbst in das Mosaik des gesamteuropäischen Kontextes stellt. Jan Cempírek, einer der Literaten in Budweis,  gibt vom Schwarzen Turm ein Panorama der Stadt bis in die Umgebung zum Kleť und zum Schloß Hluboka. Besonders inspirativ ist die „Galerie“, wo die Zeitschriften, Clubs, die Literaturzelle (im Tschechischen denkt man dabei eher an die Zelle eines Organismus) und Autoren aufgefädelt sind. So der bekannteste Budweiser Autor Jiří Hajíček, dessen Bücher in Pressburg auf Ungarisch erscheinen. Zur Zeit gibt es in Budweis auch einen Verlag namens „Velarium“, der Ende der achtziger Jahre gegründet wurde und dessen Bücher auch graphisch sehr avantgardistisch aufgemacht sind. Seine Geschichte ist zugleich ein technisches Abenteuer und ein ständiger Überlebenskampf in der zurückeroberten Marktwirtschaft. Unter den Schriftstellern Budweis ist außerdem Věroslav Mertl, der eine unumstrittene Autorität im Budweiser Literaturbetrieb ist und eine reflektierende, christliche Prosa vertritt, die nach konservativen Werten sucht.

Die Beatles Nostalgie ist dagegen grenzüberschreitend  und sowohl in Prag im Nationalmuseum als auch auf der Schallaburg ist ihr eine Ausstellung gewidmet. Vladimír Tučapský verbindet diese Beatlemanie mit einem Rückblick auf die sechziger Jahre in der ČSSR, auf die „Schnellen Pfeile“, die ersten tschechischen Comics, und das Echo, das die Beatles hinter dem Eisernen Vorhang auslösten.

Besonders müssen die Fotos von Michal Tůma, ebenfalls aus Budweis, hervorgehoben werden, die aus dem Heft ein multimediales Kunstwerk machen.

Wichtig sind in dem Heft natürlich die Rezensionen der Neuerscheinungen, so über das neueste Buch von Petra Hůlová, verbunden mit einem kurzem Interview mit ihr, das in Tschechien wieder einen kleinen Skandal provoziert hat, da sie mit ihm in den Verdacht einer gewissen Sympathie mit der Zeit der Normalisierung gekommen ist, was in Tschechien immer noch höchstverwerflich ist. Jiří Travniček setzt sich mit dem sehr persönlichen Tagebuch von Miroslav Červenka auseinander. Ein etwas weniger bekannter Autor, Ivan Matoušek, wird von Petr Hrtánek behandelt. Das vorletzte Buch von Jiří Kratochvil – inzwischen ist schon das nächste Buch von ihm erschienen „Femme fatale“ – wird von Jakub Grombiř rezensiert, was wir schon auf Deutsch von Christa Rothmeier und Julia Hansen-Löve übersetzt auf Deutsch lesen können. (Das Versprechen. Requiem auf die fünfziger Jahre) Weiters haben wir eine Rezension über ein Buch, das, wenn ich es richtig einschätze, eher zum Fantasygenre gehört, „Worms Welt“ von Petr Koťatko. Der bemerkenswerte Prager Verlag hat eine Übersetzung (von  Helena Stachová) von Erzählungen von Sławomir Mrożek aus den achtziger und neunziger Jahren vorgelegt. Jede Rezension zu erwähnen, würde zu einer etwas nackten Aufzählung werden, wobei die Übersetzungen durchaus interessant sind, da sie den Übersetzungshorizont der tschechischen Gegenwartsliteratur zeigen, wenn der afghanische Schriftsteller Atík Rahímí,  der französische Jean-Marie Blas de Roblès oder die Amerikanerin Marylinne Robinson übersetzt wird. Den tschechischen Lyriker Roman Szpuk gilt es bei uns noch zu entdecken. Bemerkenswert ist die Rezension von Radek Malý über einer Gedichtanthologie für Kinder, die  Peter Šrámek zusammengestellt hat und im Verlag „Albatros“ erschienen ist, einer Institution für Kinderbücher wie sie der deutschsprachige Raum nach dem Untergang des Kinderbuchverlages Berlin nicht mehr kennt. Noch zu erwähnen ist die Monographie über Petrarca von dem Romanisten Jiří Špička und die Übersetzung von Essays Hermann Brochs durch Nadežda Macurová. Eine der bekanntesten tschechischen Regisseurinnen ist Alice Nellis, deren neuesten Film „Mamas & papas“ genauso wenig sehen werden wie „Ausflug“ (2002) und „Geheimnisse“ (2007). Im Schnellverfahren werden einige Gedichtbände von Petr Odehnal besprochen und auch die Rubrik hostinec, in der Ladislav Zedník mit einigen Gedichten drei Lyriker vorstellt, gehört zu dieser kurzen konzentrierten Form der Vorstellung von Poesie.

Ein umfangreicher Teil ist dem im November des vergangenen Jahres gestorbenen Schriftsteller Milorad Pavić gewidmet. Sein chasarisches Wörterbuch ist auch bei uns gut bekannt, doch sollte diese Form des enzyklopädischen Schreibens viel stärker in die deutschsprachige Literatur Eingang finden. Er war eigentlich ein Vorläufer des interaktiven Schreibens und Lesens, wo der Leser nicht linear den vorliegenden Text liest, sondern den Weg seines Lebens selbst bestimmt, wobei der Autor durch das Aufstellen von Weggabelung doch in starkem Maße die verschiedenen Lesepfade bestimmt.

Mit dieser Nummer zeigt „Host“, dass es eine der wichtigsten Literaturzeitschriften in Mitteleuropa ist; nach dem ausführlichen Porträt von Budweis als Literaturstadt würde man sich ähnliche von Stuhlweißenburg (Székesfehérvár), Graz (Štyrský Hradec)  und Olmütz (Olomouc) wünschen.

In der Literaturzeitung „Literární noviny“ (dt. Literaturzeitung) finden wir einen wichtigen Text von Bělohradský, den dieser jedoch schon vor einem Jahr gehalten hat, was aber an der Gültigkeit des Textes nichts geändert hat. Bělohradský geht von der engagierten Literatur Heinrich Bölls aus, die in der Moral der Rede liege, dabei geht er davon aus, dass die Kampagne der Bildzeitung und die Unterstellung, dass er Terroristen unterstütze, ihn in Deutschland isoliert hätte. Eine Verurteilung des Nazismus, ohne die Schuld der Sieger des zweiten Weltkrieges zu berücksichtigen, sei zu billig. Die Sieger hätte auch die Schuldigen in den eigenen Reihen vor Gericht stellen müssen, doch dazu fehlte ihnen nach Bělohradský der Mut? der Verrat an der Moral der Sprache sei die Ursache für Totalitarismus. Mit dem Begriff der „Moralität der Rede“ ist eng der Begriff der Schuld verbunden. Die große Schuld bestehe darin, dass wir Europäer nicht in der Lage seien zu zeigen, was die westliche Vernunft ist, sondern immer haben wir sie der Staatsmacht, dem Eigentum, dem Gewinn und ähnlichen Imperativen unterworfen. Nach Meinung Bölls verrät die westliche Kultur die „Moralität der Rede“, indem sie sich nicht genügend gegenüber den „Söldnern der Medialisierung“, deren Katechismus unsere Schuld nur im Rahmen der Moral wahrzunehmen lehrt. Damit haben wir den Beitrag Bělohradský nicht erschöpft, was aber bei einem Zeitschriftenüberblick kaum möglich. Ich möchte noch auf eine Diskussionsrunde hinweisen, deren Texte Ende des Jahres in derselben Zeitschrift veröffentlicht worden sind. An ihr waren Karel Hviždala, Václav Bělohradský, Václav Havel, Karel Schwarzenberg, Karol Sidon, Adriena Šimotová und Jiřím Suchý unter anderem teilnahmen.

In den „Literární noviny“ ist ein Interview des bekanntesten tschechischen Soziologen Jan Keller abgedruckt, in dem er betont, dass der politische Kampf um die Mittelschicht oder das Überleben der Mittelschicht in Tschechien eine Chimäre ist, da deren Eigenkommen in Westeuropa nicht einmal die Armutsgrenze überschreite. Das ist insofern interessant, weil Tschechien immer als eines der Länder angeführt wird, in denen die Transformation zur Markgesellschaft funktioniert habe und auch wirklich nicht zu einer solchen gesellschaftlichen Verelendung und Depression geführt hat. Doch ist schon seit ein paar Jahren von der „blbá nalada“ (dt. der komischen Laune) die Rede und in den Umfragen verlangen mehr als die Hälfte der Bevölkerung an, dass eine Revolution wie 1989 jetzt langsam kommen müsse. In dem Interview hebt Keller auch hervor, dass es eine eigenartige Teilung des Landes gibt; dass Böhmen mehrheitlich konservativ und bürgerlich wählt, während Mähren überwiegend links, also sozialdemokratisch oder kommunistisch wählt. Die Christdemokraten, die ihr Hauptpotential in Südmähren haben, gingen in den letzten zwanzig Jahren auch oft Koalitionen mit linken Parteien ein.

Die Novembernummer "Völkerfreundschaft" (Druschba narodow) neuen Roman von Jurij Dombrowskij mit dem Titel "Der Berg gebiert eine Maus" vor, wobei die Editionsgeschichte interessant wäre, warum er erst jetzt zweiunddreißig Jahre nach dem Tod des Autors veröffentlicht wird. Das Unfertige und Fragmentarische zeigt sich sowohl darin, dass Motive im Sujet eventuell fehlen, als auch in einfach faktischen Mängeln. Aber der Roman beginnt spannend und  vielversprechend und hält diese Erwartungshaltung in dem veröffentlichten ersten Teil fast durchwegs durch. Es beginnt unter Kriegsgefangenen in Ostpreußen während des zweiten Weltkrieges.

[1]

Die Hauptgestalt erscheint in verschiedenen Zeitabschnitten als ganz unterschiedlicher Charakter. Während er in der Gefangenschaft eine eher klägliche Figur ist oder von den Mitgefangenen so gesehen wird, verwandelt er sich nach der Flucht durch einen Mord auch so vollständig, dass er seine Identität ändert, ein SS-Offizier wird, der dann wiederum in einem anderen Zeitabschnitt als solcher in der Resistance in Frankreich gegen die Wehrmacht kämpft. In der Rückblende ist er zehn Jahre zuvor als Leiter eines sowjetischen Kulturhauses in Mittelasien ein unwiderstehlicher Frauenheld.

Die Dezembernummer von MALMOE zeigt, dass die Zeitschrift immer noch nicht aus dem  Ei geschlüpft ist. Vielleicht liegt es daran, dass es keinen Kontakt zu Zeitungen ähnlicher Orientierung in der Umgebung gibt, wie "Literární noviny" oder "Slovo". Obwohl sehr wichtige Themen angesprochen werden, wie Bankensteuer, globale soziale Gerechtigkeit oder der Hinweis auf den (wieder)entdeckten deutschen Schriftsteller Ronald Schernikau.

Der slowakische „Týždeň“ ist ein Wochenmagazin wie Spiegel, Espresso oder Profil, sodass wir immer vor der Fragen stehen, ob wir ihn in unser Beobachtungsfeld einschließen sollen, denn dann müssten wir auch den tschechischen Týden, die polnische Polytika, die russischen Итоги, den kroatischen Tjedan und „Magyar Narancs“ verfolgen, andererseits haben wir „НИН“ und würden gern „Vreme“ abonnieren, was aber in Österreich nicht möglich ist. Im „Týždeň“ finden wir anläßlich eines Filmfestivals, das bei uns unbekannt ist, eine Reportage über Südkorea mit einem Blickwinkel, den wir in westlichen Magazinen nicht finden können. In den Literární noviny finden wir eine Reportage von Milena Oda über die Kulturhauptstadt Pécs, die sich eines ganz frischen und unvoreingenommenen Blickes bedient. So bemerkt sie, dass die Zsolnay-Porzelanfabrik - die eigentlich das Zentrum des alten Kulturhauptstadt- Konzeptes bildete – leider gerade abgerissen wird.

In der „Neuen Literaturumschau“ (Новое литературное обозрение) Nr. 105 finden wir einen Text von Dmitrij Prigov, der ein eigenartiger Agitproptext in der Form des faustschen Prologs darstellt.

Das achte Heft des Romboid, der wichtigsten slowakischen Literaturzeitschrift, ist der Kunst im öffentlichen Raum gewidmet. Im Zentrum steht die Diskussion um ein Reiterdenkmal, das vor der frisch renovierten Burg in Bratislava aufgestellt wurde. Es steht aber damit weder vor dem Parlament noch vor dem Präsidentenpalast, sondern auf einem früheren Exerzierplatz, aber vielleicht wird das auch nicht sein letzter Standort sein. Das Denkmal stellt Svätopluk, den Fürsten des Großmährischen Reiches dar, unter dessen Regierung das Reich die größte territoriale Ausdehnung erreichte. Aber Svätopluk ist sozusagen en vogue, denn 2008 inszenierte Juraj Jakubisko, der bekannte Filmregisseur, eine Oper über Svätopluk. Neben dem Interview mit dem bildenden Künstler Rudolf Sikor über das Zeitgemäße der Svätopluk Plastik finden wir einen Artikel über aktionistische Aktionen mit der Straßenbahn 6 in der zukünftigen Kulturhauptstadt Košice. Anhand der Straßenbahnlinie, die ihren eigenen Song in den Zeiten des Sozialismus hatte, wird die Wiederbelebung „kommunistischer Praktiken in der Gesellschaft der Marktwirtschaft“, Boris Groys Gedankengängen folgend, diskutiert. Zur Dekonstruktion des modernen Mythos der globalen Welt, die keine kulturellen, sozialen oder politische Spezifiken besitze, müssen wir zum Begriff des Postsozialismus oder Postkommunismus zurückkehren. Tomáš Hájek diskutiert aus seiner Erfahrung als Landschaftspfleger im nordböhmischen Kohlengebiet die symbolische Bedeutung von Kunstdenkmälern und die semantischen Verschiebungen, die durch ihre Dekontextualisierung und Transposition entstehen. Wenn die Wegkreuze, Materl oder auch Kapellen wegen des Kohleabbaus woanders aufgestellt werden, so gewinnen sie an dem neuen Art nach einigen Jahrzehnten für die Bevölkerung am neuen Ort eine wichtige Bedeutung, sodass sie nach der Rekultivierung nicht einfach wieder an den alten Platz gesetzt werden können; wobei sie meist aus ehemals deutschsprachigen Gebieten stammen und nach der Rückführung nicht mehr die damalige Bevölkerung dort vorfinden und so die Bedeutung für die jetzt ansässige Bevölkerung unbekannt und unzugänglich ist. Aber auch wenn ein Kunstdenkmal an seinem Ort bleibt, kann durch die politischen Verschiebungen in Mitteleuropa nach Hájek ein Artefakt mehrmals seine Bedeutung verändern, sei es durch Grenzverschiebungen oder Vertreibungen und Neuansiedlungen. Vladimír Petrík zeigt durch den Wechsel der Straßennamen in Bratislava, wie eine semiotisches System von einem anderen abgelöst wird: von der Umbenennung ungarischer Straßennamen zu slowakischen und slawischen, der Einführung von Nazigrößen in die Straßennamen in der Kriegszeit und der Beseitigung aller deutschen Straßennamen nach 1945 (obwohl einige alte Pressburger Namen waren) bis zur Rückbenennung 1989, wobei dadurch wieder deutsche Straßenbezeichnungen auftauchten, mit denen die heutige Bevölkerung nichts anfangen kann (Grösslingova, Šancova). Ein Wiederabdruck aus den dreißiger Jahren stellt die Überlegungen Rudolf Fabrys, einem Vertreter der slowakischen Nadrealisten, zu dem neuen Hviezdolav-Denkmal vor dem Nationaltheater vor, wobei sein Urteil nicht weniger vernichtend ausfällt als die heutige Diskussion über Svätopolk.  

Wie wir jetzt noch vor Redaktionsschluss erfahren haben, ist die letzte Doppelnummer 07-08/2010 von „Literatura na świecie“ der tschechischen Literatur gewidmet, so finden wir Gedichte von Václav Havel aus den fünfziger und sechziger Jahren, Kurzprosa von Bohuslav Reynek, Jan Skácel, Vratislav Effenberg, Miroslav Holub und Ivan Wernisch; außerdem einen interessanten Essay von Isabella Mattazzi über Italo Calvino als Leser und Autor Jan Nepomuk Potockis.

Stephan Teichgräber



[1]

Aber noch ein paar Worte zum Autor: Sein bekanntestes Werk "Die Fakultät der nutzlosen Dinge" erschien auch posthum zur Zeit der Perestrojka. Dombrowskij stammte aus einer  Romafamilie, die zugleich eine anerkannt Rechtsanwaltsfamilie jüdischen Glaubens in Moskau war. Er wurde mehrmals inhaftiert und verbrachte mehr als zehn Jahre in Gefängnishaft und Staatslagern (Gulag) in Mittelasien und auf der Kolyma. Die „Fakultät der unnützen Dinge“ begann er 1964 und konnte den Roman zeitlebens nicht in der Sowjetunion veröffentlichen. Kurz nachdem er auf Französisch 1978 erschien, wurde er auf der Straße verprügelt, ins Krankenhaus eingeliefert und verstarb. 

See also: