Donnerstag, 14. Februar 2008
ZWISCHEN DEN POLEN
ORT: ULNÖ
BEGINN: 20 Uhr
EINTRITT: EUR 8,- / ermäßigt EUR 6,-
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Jener Teil der fatalen Geschichte des 20. Jahrhunderts mit ihrem völkermörderischen Wahnsinn, ihrer sogenannten "Politik" der verbrannten Erde, der Saat von Haß, Denunzierung und Vernichtung wirkt – ganz gleich, wie bemüht die Provokateure des Verdrängens und Leugnens auch sein mögen in ihrer häßlichen Absicht – bis in die Gegenwart. Die Schatten des Unfaßbaren legen sich nach wie vor auf die Realität der Nachgeborenen, die aus Familien stammen, welche auf unterschiedliche Weise beschädigt sind vom Grauen.
Polnische, polnisch-österreichische Schicksale stehen im Zentrum dieses Abends mit Martin Pollack (geb.1944) und Wojciech Kuczok (geb. 1972).
MARTIN POLLACK
Der Slawist und Historiker (osteuropäische Geschichte), Kulturpublizist, ehemaliger Spiegel-Korrespondent und mit renommierten Preisen und Ehrungen (u.a. Kavalierskreuz des Verdienstordens der Republik Polen) ausgezeichnete freie Autor, Übersetzer und Herausgeber zählt zu jenen Schriftstellerpersönlichkeiten, die den Blick nicht vor den schrecklichen Abgründen der eigenen Herkunftsgeschichte verschließen.
In Bad Hall (OÖ) geboren, gilt sein akribisches Interesse dem, was er in einem Buchtitel Zwischen europa nennt: Jüdische Familienbilder, galizische Aufzeichnungen, sarmantische Landschaften macht er zu seinem Auftrag. Und widmet sich schließlich nach der Veröffentlichung des allgemein bekannten Titels Anklage Vatermord. Der Fall Philipp Halsmann (Zsolnay 2002) der Arbeit an seinem wahrscheinlich schmerzhaftesten Buch: Der Tote im Bunker. Bericht über meinen Vater (Zsolnay 2004). Ein Bericht, in dem der Sohn Zeugnis ablegen muß über einen Nazi-Vater, einen Gestapo-Schergen, einen Kriegsverbrecher.
Martin Pollacks jüngster Band Warum wurden die Stanislaws erschossen (Zsolnay 2008) spürt der Geschichte zweier polnischer Zwangsarbeiter nach, die im April ’45 von sowjetischen Soldaten im Südburgenland erschossen wurden. Martin Pollack wurde 2007 mit dem Toleranzpreis des österreichischen Buchhandels geehrt.
WOJCIECH KUCZOK
Wird von der Kritik als der "stilsicherste, musikalischste und leidenschaftlichste Schriftsteller, den die polnische Literatur zur Zeit zu bieten hat" (Tagesspiegel) apostrophiert. Der Doktorand der Filmwissenschaften an der Jagiellonen-Universität Krakau arbeitet seit den 90er Jahren literarisch und bereits sein Start war bravourös: Mit dreißig Jahren legt er ein oscarreifes Filmdrehbuch vor, erhält den wichtigsten polnischen Literaturpreis und sein erster Roman Gnój, 2003 (Dreckskerl, Suhrkamp 2007, aus dem Polnischen von Gabrielle Leupold und Dorota Stroinska) wird heftig und kontrovers diskutiert.
Die deutsche und polnische Geschichte steht im Zentrum des Erzählens, einer wuchtigen, in durch gehendem Grau gehaltenen "Antibiographie", die im rußigen schlesischen Bergbaugebiet spielt. Gewalt, Perspektivelosigkeit und Verwahrlosung bilden die Kulisse für die handelnden Personen: "Der Krieg geht in der nächsten Generation weiter - ein Krieg der vergifteten Seelen. Der ,alte K.' züchtigt sein Kind mit der Peitsche (...) und tobt seine Frustration an dem Jungen, dem ,Dreckskerl' aus - bis dieser zum Gegenschlag ausholt." (Zitat: Suhrkamp)
Auch in seiner 2006 auf Deutsch erschienenen Erzählsammlung Im Kreis der Gespenster (Übersetzung: Friedrich Griese) setzt sich Kuczok mit Menschen in Grenzsituationen auseinander.
Diese Peitsche mußte ihren Geruch haben, denn bevor der alte K. zu den pädagogischen Seancen schritt, ob mit der Hündin oder mit mir, hielt er uns diese Peitsche unter die Nase und ließ uns riechen; schon leicht zitternd, aufgereizt von der Macht, den Moment schon kaum noch erwartend, in dem er die ersten Schläge versetzen würde, sagte er noch "hier, riech mal".
(Aus: Dreckskerl, Suhrkamp 2007)
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